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Architekten-Wettbewerb: Passt die Welt ins Schloss?

Der Architekt Franco Stella baut Berlins Grand Projet, das immerhin 500 Millionen Euro kosten soll. Nun gibt es Irritationen über sein Büro.

Sie haben Pech mit ihren Wettbewerben beim Bundesbauministerium. Gerade erst gab es großen Ärger über den Wettbewerb zum Einheitsdenkmal am Rande des Schlossplatzes, den die Jury schon in der ersten Stufe für gescheitert erklärte. Die teilnehmenden Künstler und Architekten sahen sich um Preisgeld und Nachbesserungsmöglichkeiten betrogen, erwogen Klagen, die Kulturexperten des Bundes debattieren. Nun steht nach Presseberichten im Raum, dass auch der Wettbewerbssieger für die Wiedererrichtung des Schlosses mit dem Humboldt-Forum zwei Teilnahmebedingungen nicht erfüllt haben soll. Weder soll der in Vicenza lebende Architekturprofessor Franco Stella zum Zeitpunkt der Wettbewerbsteilnahme über 300 000 Euro Jahresmindestumsatz verfügt haben, noch habe er zu diesem Zeitpunkt die geforderten drei festangestellten Mitarbeiter gehabt, berichten das Berliner Stadtmagazin „Zitty“ und die Onlineausgabe von „Art“. Trotzdem gab das Bundesbauministerium am 18. Juni den Vertragsabschluss mit Stella bekannt.

Stellas Berliner Anwalt Michael Pietzcker weist die Zweifel an der Erfüllung der Vorgaben für den Architekturwettbewerb am Mittwoch entschieden zurück. Stella habe wahrheitsgemäße Angaben über Planungsleistungen und Büroinhaber gemacht. Im Gespräch mit dem Tagesspiegel präzisiert Pietzcker, Stella habe in der Tat ein Kriterium nicht erfüllt, das Umsatzkriterium. Die Mitarbeiterzahl hingegen sei den Anforderungen entsprechend gewesen. Die Anforderungen bezüglich Umsatz und Mitarbeiter sind in der Ausschreibung tatsächlich alternativ formuliert. Es genügt, wenn man eine von beiden erfüllt. Auch das Bundesbauministerium verweist auf eine von Stella unterschriebene Selbstauskunft, nach der die Bedingungen für die Teilnahme am Wettbewerb erfüllt sind. Dieser Auskunft habe man vertraut, wie auch bei allen anderen Bewerbern.

Die Aufregung ist erheblich. Immerhin handelt es sich um ein nationales Grand Projet, das mindestens 500 Millionen Euro verschlingen wird – da darf man ein korrektes Verfahren seitens der staatlichen Auslober erwarten. Auch besteht offenbar immer noch Unbehagen angesichts des Wettbewerbsergebnisses. Über die Fähigkeit des Büros zum Umsetzen hingegen sagt der Streit über Formalitäten nichts aus. Immerhin hat Stella sich nach dem Zuschlag der Unterstützung der umsatzstarken, mitarbeiterreichen Büros von Hilmer, Sattler & Albrecht sowie Gerkan, Marg und Partner versichert.

Bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, deren ehemaliger Chef Klaus-Dieter Lehmann einst die Vision des HumboldtForums auf dem Schlossplatz entwarf, geht man ungeachtet aller Bedenken nun pragmatisch an die Verwirklichung des Projekts. Nächste Woche eröffnet im Alten Museum eine Ausstellung, die erstmals die internen Planungen vorstellen will. Gleichzeitig erscheint ein von Stiftungspräsident Hermann Parzinger und dem ehemaligen Berliner Kultursenator (und Palastverteidiger) Thomas Flierl herausgegebenes Buch (Humboldt-Forum Berlin, Das Projekt. Broschur mit 288 Seiten. Verlag Theater der Zeit, 28 Euro).

Da geben Jurymitglieder noch einmal ihrem Unbehagen über die Wettbewerbsauslobung Ausdruck. Auch Kritiker wie Adrienne Goehler und Philipp Oswalt kommen zu Wort. Und Thomas Flierl rekapituliert die endlose Geschichte von Expertenkommission und Wettbewerbsausschreibung und macht klar, wie sehr das Verfahren in jedem Stadium politisch manipuliert wurde. Er benennt auch die „negative Dialektik“, die entsteht, wenn ein Projekt des 21. Jahrhunderts sich in einer rückwärtsgewandten, der verlorenen Vergangenheit nachgestalteten Außenhaut einrichten muss. Berlin, so sagte er dem Tagesspiegel, könne das Neue offenbar vor allem im Alten denken.

Wie diese Einrichtung aussehen wird, kann man ab 8. Juli in der Ausstellung erleben. Das Konzept, das die Hauptnutzer, die außereuropäischen Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz umreißen, klingt verheißungsvoll: keine starre Festlegung, eine an geografischen und inhaltlichen Zusammenhängen ausgerichtete Präsentation, Schaumagazine, die die Fülle der Schätze erfahrbar und für die Forschung zugänglich machen, Ausstellungsmodule, die regelmäßig verändert werden, und großzügige Sonderräume für Ausstellungen, Kongresse, Education etc.. Dass sich diese Planungen keineswegs problemlos mit Franco Stellas Entwurf vereinen lassen, machte schon der erste Blick auf den prämierten Entwurf klar. Wenig Flexibilität, vorgegebene, zu kleine Raumstrukturen, das war von Anfang an ein Manko, der sich besonders im Agora-Bereich auswirken dürfte – auch wenn Stella flexibel genug sein dürfte, hier auf die Bedürfnisse der Nutzer einzugehen. Doch die grundsätzliche Entscheidung über Raumvolumen und Baustruktur wird nicht mehr revidiert werden.

Der Journalist Nikolaus Bernau legt in seinem Essay im Humboldt-Buch nach: Gerade im internationalen Vergleich zeigt sich der Stella-Entwurf keineswegs auf der Höhe der Kunst. Es fehle einerseits der architektonische Signet-Charakter, der Bauten von Frank O. Gehry und Daniel Libeskind zu Tourismusattraktionen machte – Stella orientiere sich, für ein Forum der außereuropäischen Künste durchaus verwunderlich, stattdessen an alteuropäischen Vorbildern wie den Uffizien, dem Alten Museum Berlin und der Alten Pinakothek in München. Gravierender aber dürfte sein, dass dem Bau eine zukunftsorientierte ökologische Vorbildfunktion fehle, wie sie in neueren Bauten etwa in Chicago längst Standard ist. Gerade angesichts der steten Klagen der Museen über hohe Betriebskosten, die in absehbarer Zeit zur völligen Lähmung der Häuser führen werden, ein bedenkenswerter Punkt.

Die große Frage bleibt: Was für ein Museum wollen wir überhaupt? Was wollen wir wirklich wissen von außereuropäischer Kultur? Andere Museen vor allem in Nordamerika setzen längst stärker – und anspruchsvoller – auf Wissensvermittlung statt Kunst. Bei den europäischen Museen hingegen sei eine Tendenz zum reinen Meisterwerke-Parcours zu erkennen. Die Fülle der Sammlungen gerade im außereuropäischen Bereich dürften in ein solches Raster schwerlich passen. Das immer wieder als Vorbild genannte Centre Pompidou in Paris war bei seiner Eröffnung 1977 eine echte Revolution, architektonisch wie inhaltlich: ein Kulturzentrum zwischen Bildung und Vergnügen, moderner Technik und internationaler Kunst. Ein mindestens so revolutionärer Wurf müsste das Humboldt-Forum sein, das sich ja nicht weniger zum Ziel gesetzt hat als die Neudefinition unseres Verhältnisses zur außereuropäischen Welt.

Christina Tilmann

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