zum Hauptinhalt

Kultur: Argonautenrauschen

Staatsoper: Lucia Ronchettis „Lezioni di tenebra“.

Medea und Jason begegnen sich im Dunkeln und geben sich blind ihrer Leidenschaft hin. Argonautica 2.0 in den Dark Rooms der Berliner Clubszene? Weit gefehlt. Diese Wendung des Jasonmythos hatte sich 1649 Giacinto Andrea Cicognini ausgedacht und lieferte dem Organisten und Komponisten Francesco Cavalli (1602–1676) das Libretto zu „Giasone“. Im 17. Jahrhundert erfreute sich die Oper größter Popularität.

Der verworrene Plot wird in Lucia Ronchettis „Lezioni di tenebra“ an der Werkstattbühne der Staatsoper im Schillertheater allerdings nicht erzählt, sondern mit allen musikhistorischen Mitteln analysiert. Zeitgenössische Perkussionslaute regnen von der Empore auf den Streicherklang herab (musikalische Leitung: Max Renne), der wie Jasons Stimme zwischen wunderschön schmucklosen Frühbarocksegmenten und unsicher abrutschenden Geräuschklängen taumelt.

Die 1963 in Rom geborene Komponistin legt in ihrer 2011 uraufgeführten „Reduktion“ von Cavallis Oper den Fokus ganz auf die „selbstgewählte Blindheit des Paares und die fortschreitende Verdunkelung ihrer Schicksale“ und exerziert diese Prämisse Szene für Szene durch. Ein Drama? Auf jeden Fall. Nur ohne viel Spannung, denn klüger als am Anfang wird man nicht. Spannung zu erzeugen bleibt vor allem den Sängern überlassen: Umwerfend Spannbreite und Wandelbarkeit, die die Sopranistin Olivia Stahn und der Countertenor Daniel Gloger stimmlich wie darstellerisch an den Tag legen.

Beide haben drei Rollen unterschiedlichen Geschlechts zu verkörpern, die sie zuweilen gegeneinander in den Dialog oder gar Streit führen – und dies in Reyna Bruns’ personenfokussierter Inszenierung mit geradezu beängstigender Glaubwürdigkeit. Ohne diese würde man im schizophrenen Galopp ständig neuer Identitätsverwirrung erliegen.

Klarheit stiftet ein wohltuend simpler Symbolismus in der Ausstattung (Stephan von Wedel): Alles schwarz wie die Nacht, nur vereinzelte Goldspuren erinnern an Jasons Mission, das Goldene Vlies zu finden. Der mächtige Torbogen, der anfangs noch einen goldenen Schleier trennend zwischen Jason und Medea hält, bleibt nicht lange stehen: Er fällt, er bricht, zum Schluss bleibt kein Stein auf dem anderen. Barbara Eckle

Wieder am 2., 7. und 10.2.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false