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Kultur: Arnold Schönberg: Somnambule Geister

"Es scheint, auf diese somnambule Fähigkeit verlässt sich der Kritiker mehr, als auf die Aufführung. Er traut dem Autor weder mit dem Aug, noch mit dem Ohr, sondern lediglich mit dem schlafwandelnden Geist.

"Es scheint, auf diese somnambule Fähigkeit verlässt sich der Kritiker mehr, als auf die Aufführung. Er traut dem Autor weder mit dem Aug, noch mit dem Ohr, sondern lediglich mit dem schlafwandelnden Geist." So ätzte Arnold Schönberg in der Zeitschrift "Pan" über einen Verriss des Berliner Kritikers Leopold Schmidt, der eine Matinee mit Werken des streitbaren österreichischen Komponisten im Februar 1912 kurzerhand zur Pause verlassen hatte - um dennoch seine Tiraden gegen die Orchesterstücke, op. 16, abzufeuern. Leicht hatte es Schönberg auch in Berlin nicht gehabt, obwohl er drei Anläufe unternahm, um die Stadt von der neuen Kompositionsweise zu überzeugen: Zwischen 1901 und 1903, als er als Kapellmeister an Ernst von Wolzogens Kabarett "Überbrettl" engagiert war, 1911 bis 1915, als er eine Dozentur am Sternschen Konservatorium übernahm, und schließlich zwischen 1926 und 1933, als er eine Professur an der Preußischen Akademie der Künste innehatte, lebte Schönberg in Berlin.

Am Wiener "Arnold Schönberg Center" am Schwarzenbergplatz ist nun (bis 2. Februar 2001) eine kleine Ausstellung über Schönbergs Berliner Jahre zu sehen. Auf einer großen Karte der Stadt sind minutiös alle - auch die vorübergehenden - Berliner Wohnsitze Schönbergs verzeichnet, der sich ziemlich ruhelos in der Stadt bewegt hatte. Großformatige Photographien verleihen der Schau, die sich sonst weitgehend auf historische Dokumente aus dem Archiv der Berliner Akademie der KÜnste stützt, ein zeitgeschichtliches Flair. Einige Bilder, wie Felix Müllers Holzschnitte zu dem 1912 in Berlin entstandenen und uraufgeführten "Pierrot lunaire" oder Schönbergs eigene Bühnenbildentwürfe zu dem Drama "Der biblische Weg", illustrieren die sorgfältige Schau. Ein akustischer Führer begleitet die Besucher nicht nur mit ergänzenden Texten, sondern auch mit Musikstücken aus der jeweiligen Zeit, von denen auch einige Originalblätter aus den penibel notierten Partituren, wie "Pelleas und Melisande" (1902/03), "Herzgewächse" (1911), "Pierrot" oder die "Begleitungsmusik zu einer Lichtspielszene (1930), zu sehen sind.

Neben der - von Peter Gradenwitz erst vor kurzem in einem Buch (des Zsolnay erlags) analysierten - Beziehung zwischen Schönberg und seinen Berliner Meisterschülern stößt natürlich dessen Auseinandersetzung mit den Nationalsozialisten auf das größte Interesse: Unmittelbar nach der Machtübernahme Hitlers war Schönberg bereits mit antisemitischen Äußerungen des damaligen Akademiepräsidenten Max von Schillings konfrontiert worden, der ihm kurz darauf in einem im Original vorliegenden Schreiben mitteilte, "dass (der Minister für Wissenschaft, KUnst und Volksbildung) diejenigen nichtarischen Mitglieder der Akademie, die unter die genannte Bestimmung fallen, als nicht zur Akademie gehörig betrachtet". Geradezu rührend wirkt aus heutiger Sicht das erboste Antwortschreiben Schönbergs, der zunächst unter Berufung auf die diplomatische Vertretung Österreichs in Deutschland auf die Einhaltung seines bis 1935 gültigen Vertrages pochte. Dem sollte bald die Einsicht folgen, dass es mehr zu retten galt, als bloß eine Anstellung: Am 25. Oktober 1933 bestieg Schönberg in Le Havre das rettende Schiff in die USA. Auch Berlin hat ihm wenig Glück gebracht.

Reinhard Kager

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