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AUF Schlag: Autobahn der Eitelkeiten

Moritz Rinke über Deutschland in diesem Herbst

Wenn ich eine Szene schreiben sollte für Deutschland in diesem Herbst, dann würde ich mir erst einmal eine deutsche Autobahn vorstellen. (Was denn sonst nach diesen Tagen, die Bahn fährt ja nicht.)

Eva Herman vorneweg schreitend auf der A7 mit einer Fahne, wo draufsteht: „Freie Fahrt für die Familie – Frauen sollen wieder Apfelkuchen backen!“ Hinter ihr her laufen Franz Müntefering und Kurt Beck von der SPD, aber sie haben sich nichts zu sagen, der eine schaut nach links, der andere nach rechts, so gehen sie, ohne eine Einheit zu bilden, vorbei an der Raststätte Hasselhöhe.

Hinter ihnen Tom Cruise als Stauffenberg, der nun doch nicht wegen dieser Sekten-Geschichte auf der Gedenkstätte Deutscher Widerstand erschossen werden darf. Man hat sich aus aktuellem Anlass für die Autobahn entschieden.

Hinter Tom Cruise läuft Johannes B. Kerner und interviewt ihn für JBK: „Tom, what are your feelings as Stauffenberg on the A7?” Am liebsten würde ich Johannes B. Kerner darstellen, wie nur sein Kopf aus dem Hintern von Tom Cruise guckt, aber das gibt Ärger, JBK verklagt einen ganz schnell, zu teuer. Er würde aus dem Hintern gucken und sagen:

„Scientology ist gar nicht so schlimm, aber Autobahnen gehen einfach nicht! Keinen Fuß setze ich auf diese Autobahn, nur darum fahre ich im Hintern von Tom Cruise als Stauffenberg! Die Rolle hätte man mir auch anbieten können als Entschädigung für den Deutschen Fernsehpreis, den hätte ich bekommen müssen, nicht diese scheiß Beckmannsache mit Bert Dietz, da ist ja nicht mal wer gestorben, wo ich doch Marina Litwinenko hatte und sagte: Marina, wurde dein Mann von Putin ermordet? Und was fragt Beckmann?! Bert, hast du auch gedopt? Lächerlich! Marina zu fragen, ob ihr Mann von Putin ermordet wurde, das ist informativer, investigativer Journalismus, ich bin sowieso immer näher dran!“

Kerner erreicht also im Inneren von Tom Cruise als Stauffenberg das Autobahndreieck Walsrode. Müntefering sagt zu Beck: „Hier trennen sich unsere Wege. Du musst in der Sache ohne mich weitergehen. Ich biege ab auf die A27. Tschüss.“ Eine traurige Szene, das Ende der SPD.

Auf der Gegenfahrbahn schleppt sich die Gesellschaft der Buchmesse aus Frankfurt heran, total müde und abgekämpft, „scheiß Lokomotivführer“ ausrufend und Millionen von Visitenkarten wie ein unendlich langes Kartenbett aneinanderlegend, um endlich zu schlafen auf den Millionen von Kontakten, Emailadressen und Handynummern, Alice Schwarzer neben Martin Mosebach, Arabella Kiesbauer neben Saul Friedländer, Rüdiger Safranski neben Hape Kerkeling. Nur Günter Grass stampft zwischen allen herum und schreit: „Ich fühle mich nicht genug geehrt! Wacht auf! Ihr müsst mich mehr ehren!“ Anstatt schnell auf die A27 abzubiegen und Müntefering wieder für die Sozialdemokratie zurückzuholen, reißt Grass sogar Gregor Gysi aus dem Schlaf: „Du mit deiner doofen Tante Doris! Man hätte mir zum 80. Geburtstag den Nobelpreis noch mal zuerkennen müssen!“ Kerner ruft ihm noch zu: „Günter, komm doch zu mir zu JBK, noch mal deine Zwiebel häuten?“, aber Grass guckt ganz irritiert auf einen Hintern mit Ohren und ruft: „Wer bist du denn? Ich fühle mich nicht genug geehrt!“ Grass rennt Richtung Flensburg, um die Fähre nach Stockholm zu nehmen, Kerner denkt: „Ich würde dich sowieso rausschmeißen, die moralische Instanz bin nämlich ich, JBK! Deine Zwiebel geht in Deutschland einfach nicht, Günter, Zwiebel geht nicht!“

Am Ende ist es still. Grass weg. Die Buchgesellschaft endgültig weggedämmert. Die SPD untergegangen. JBK soweit in den Hintern der Prominenz gekrochen, dass er nie mehr herauskommen kann. Ganz alleine würde Eva Herman beim Hattenbacher Kreuz zusammenbrechen und weinend Apfelkuchen essen.

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