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Kultur: Auf Teufel komm raus

Eine

von Caroline Fetscher

Auf der Achse des Bösen drehen sich viele Räder, mehr als in der Zentrale des Guten mitunter angenommen wird. Seit je hat das der Klerus mit schärfstem Blick erfasst. Während der greise Pontifex Maximus hinter dem Fensterglas eines römischen Hospitals auftaucht, um einen Augenblick in vollem Ornat den Gläubigen den magischen Trost seiner puren Präsenz zu spenden, besinnen sich die Weiterbildungsbeauftragten des Vatikan auf radikalere Mittel, dem Übel der Welt zu begegnen. Seit kurzem wird rund hundert Priestern in der päpstlichen Akademie „Athenaeum Pontificium Regina Apostolorum“, einem weitläufigen Backsteinkomplex zwischen römischen Pinienhainen, ein Seminar zum Exorzismus angeboten. Erste Examen werden im April abgehalten, die Kursgebühr beträgt 180 Euro.

Im Fach „Dämonologie“ lernen die Seminaristen, wie man den Satan in der Literatur ortet, im Theater, im Kino, in der Esoterik, in der Popmusik, in Videospielen und im Internet. Im Netz ist die Sancta Ecclesia übrigens inzwischen flächendeckend ausgestattet mit Webadressen, etwa jener von Frater Rufus Pereira (www.holyspiritinteractive.net), der sich ebenfalls kompetent zur adäquaten Bekämpfung des Teufels äußert.

Wie, so fragen die Professoren ihre Studierenden, unterscheide ich zwischen einer gewöhnlichen Geistesstörung und einer waschechten Besessenheit? Gar nicht so einfach! Aber es gibt Alarmsignale für den Priester. Redet einer mit „fremden Zungen“ oder stemmt mühelos mehr Gewicht, als er Muskelkraft hat, ist höchstwahrscheinlich das Widernatürliche am Werk. Satan selbst. Spirituell, liturgisch, seelsorgerisch, soziologisch, ethnologisch und auch kriminologisch bereitet das Curriculum die Kandidaten auf das korrekte Austreiben böser Geister vor, wobei der Vorgang selbst als schlichte Sache gilt, ganz ohne Hokuspokus. Als zulässige Hilfsmittel gelten allein Gegenstände wie Kruzifix oder Gebetbuch. Pater Giulio Savoldi, der vor zwanzig Jahren Mailands Chef-Exorzist wurde – damals noch ohne Training und „allein von Gottes Gnaden“ erkoren – erläuterte im Radio, jeder Fall sei individuell. So viele Menschen, so viele Pfade findet der Teufel. Wenn doch ein Engel käme.

Inspiriert zu dem Seminar hat die Teufelsaustreiber auch ein aktueller Strafprozess in Mailand. Junge Männer einer italienischen Heavy Metal Band sollen den Ritualmord an einem Mädchen auf dem Gewissen haben. Gegenüber den ultraneuen Auswüchsen des uralten Satan muss die Kirche wachsam sein. Und wer möchte nicht im hellen Wahnsinn der Gegenwart – Talkshows, Wintergrau, Unterschichtenfernsehen, Politikerreden, Nazis, Narzissten, Spam – üble Geister im Handstreich vom Priester auf Hausbesuch verscheuchen lassen? Vielleicht blicken wir säkularisierten Protestanten des Nordens mit heimlicher Sehnsucht auf das modernisierte Werkzeug der Heiligen Kirche. Und auf die Pilger, die erleuchtet allein vom Antlitz des gebrechlichen Papstes, glücklich im römischen Regen stehen.

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