zum Hauptinhalt

Kultur: Aufgeplustert

Seit den achtziger Jahren setzt sich der Komponist und Dirigent Hans Zender zunehmend mit Werken der musikalischen Vergangenheit auseinander.Kompositorisch reflektierend schuf er individuelle Lesarten von Haydn, Beethoven, Debussy oder - zuletzt in der "komponierten Interperetation" der "Winterreise" - Schubert.

Seit den achtziger Jahren setzt sich der Komponist und Dirigent Hans Zender zunehmend mit Werken der musikalischen Vergangenheit auseinander.Kompositorisch reflektierend schuf er individuelle Lesarten von Haydn, Beethoven, Debussy oder - zuletzt in der "komponierten Interperetation" der "Winterreise" - Schubert.Nun ist ein weiterer Romantiker in sein Blickfeld gerückt: Robert Schumann.Zenders "Schumann-Fantasie" für großes Orchester, 1998 entstanden, war nun mit der Jungen Deutschen Philharmonie und unter seiner Leitung erstmals in Berlin zu hören.

Ausgangsmaterial der Bearbeitung ist Schumanns dreiteilige Klavierfantasie C-Dur opus 17.Zender hat die drei Hauptteile in Harmonik und Rhythmik nicht angetastet, wohl aber mit Vor-, Zwischen- und Nachspielen versehen: In ihnen wird - räumlich vom eigentlichen Orchester getrennt - Schumanns Musik "dekomponiert", ihr nachgehorcht und vorausgedacht.Die Instrumentation der Fantasie selbst steht in der analytischen Tradition Anton Weberns und setzt zudem, zum Beispiel mit dem reichlich eingesetzten Schlagzeug (dominant vor allem Xylophon und Becken), zahlreiche Verfremdungseffekte.Ob die Originalität und revolutionäre Sprengkraft von Schumanns Komposition so, wie Zender beabsichtigt, uns heutigen Hörern in einer zeitgemäßeren Form intensiver bewußt wird, scheint fraglich.Der Musealisierung, die Zender verhindern will, wird zugleich Vorschub geleistet, wenn Schumanns Klavierfantasie zu einem großen sinfonischen Werk von einer Dreiviertelstunde Länge aufgeplustert wird.

So sehr "Musik über Musik" und das Spiel mit verschiedenen musikalischen Sprachen zur Zeit in Mode ist, so sehr scheint Zender - trotz des hohen Reflexionsniveaus seiner eigenen kompositionstheoretischen Position - mit Werken wie diesem in eine Sackgasse geraten zu sein.

Die Junge Deutsche Philharmonie, ein demokratisch organisiertes Orchester, das sich aus Studenten aller deutscher Musikhochschulen zusammensetzt, spielte äußerst engagiert und präzise: sowohl bei Zender als auch - in kleinerer Besetzung - bei Haydns 100.Sinfonie.Die englische Sopranistin Julie Moffat sang zudem sehr sicher und ausdrucksstark drei Orchesterlieder von Anton Webern und Alban Bergs Konzertarie "Der Wein" - zuverlässig begleitet von den jungen Musikern, denen die Zusammenarbeit mit ihr und Hans Zender sichtlich viel Freude bereitet hat.

GREGOR SCHMITZ-STEVENS

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false