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AUFGESCHLAGEN Zugeschlagen: Harter Käse

Denis Scheck, Literaturredakteur beim Deutschlandfunk, bespricht einmal monatlich die „Spiegel“-Bestsellerliste, abwechselnd Belletristik und Sachbuch – parallel zu seiner ARD-Sendung „Druckfrisch“ (nächste Sendung 28.3.

Denis Scheck, Literaturredakteur beim Deutschlandfunk, bespricht einmal monatlich die „Spiegel“-Bestsellerliste, abwechselnd Belletristik und Sachbuch – parallel zu seiner ARD-Sendung „Druckfrisch“ (nächste Sendung 28.3., 23 Uhr 30, Gäste: Ferran Adria, Iris Hanika, Martin Walser).

10) P. C. und Kristin Cast: Gezeichnet (Deutsch von Christine Blum, Fischer FJB Verlag, 463 Seiten, 16,95 €)

Blut ist das neue Sperma, hat sich das Mutter-Tochter-Autorenduo Cast gedacht und eine Art „Hanny und Nanny im Blutsäuferinternat“ geschrieben. Abstoßend an diesem Buch ist nicht die Schilderung der Pubertät als Erfahrung monströser Veränderungen; abstoßend ist das literarische Unvermögen der Autorinnen und ihre Feier einer verblödenden, frauenverachtenden Cheerleader-Ideologie.

9) William Paul Young: Die Hütte (Deutsch von Thomas Görden, Allegria Verlag, 301 Seiten, 16,90 €)

Noch dümmer, noch dreister: eine Erbauungsschrift über die Begegnung eines Vaters, der ein Kind verloren hat, mit Gott, Jesus und Heiligem Geist. Literatur für wiedergeborene amerikanische Christen. Wer diesen Roman gelesen hat, wird es Jim Morrison gleichtun wollen und sein Abonnement für die Wiederauferstehung kündigen.

8) Andreas Franz: Eisige Nähe (Knaur, 582 Seiten, 16,95 €)

Erzählerische Redundanz, also das Zwei-, ja Drei-Mal-Sagen ein und desselben ist das Erkennungszeichen dieses Romans. Solche Zeilenschinderei liest sich dann so: „’Ich selbst habe keine Angst vor dem Tod’, sagt Albert mit schwerem Atem und Schweiß auf der Stirn, ein untrügliches Zeichen für Angst und Panik. ‚Wieso schwitzen Sie dann so?’“ Angst vor dem Tod können die Figuren dieses deutschen Serienkiller-Romans wirklich nicht kennen: Leblose Pappkameraden haben eben nichts zu verlieren.

7) Stephenie Meyer: Bis(s) zum Ende der Nacht (Deutsch von Sylke Hachmeister, Carlsen Verlag, 788 Seiten, 19,90 €)

Im Abschlussband von Meyers Vampirsaga darf die schöne Bella Swan endlich ihren Edward heiraten, wird selbst als Vampir neugeboren, kann ihre neue Familie gegen eine große Gefahr verteidigen und erhält Superkräfte, die sie sogleich ausprobiert, indem sie einen Felsen mit bloßer Hand zerquetschen will. „Dann grub ich die Finger langsam in den Stein oder eigentlich war es eher ein Drücken“, schreibt Meyer auf Seite 549. „Die Konsistenz erinnerte mich an Hartkäse.“ Dasselbe gilt für diesen Roman



6) Jo Nesbo:
Leopard (Deutsch von Günther Frauenlob und Maike Dörries, Ullstein, 698 S., 21,95 €)

Wollen Sie wirklich noch einen Roman über einen Serienkiller lesen? Mit einem versoffenen, drogensüchtigen Kommissar, der ein kleines Autoritätsproblem hat und an dem jede Kugel abprallt und jedes Messer stumpf wird. Echt? Dann nur zu, Jo Nesbos „Leopard“ ist solide gemachte Krimikonfektion.

5) Helene Hegemann: Axolotl Roadkill (Ullstein, 208 S., 14,95 €)

Jeder Roman, den eine 17-Jährige zu Papier bringt, ist ein guter Roman, genau wie jedes Bild, das ein Sechsjähriger malt, ein gutes Bild ist. Allerdings ist mit Helene Hegemanns „Axolotl Roadkill“ ein kleiner literaturkritischer Betriebsunfall passiert oder vielmehr inszeniert worden. Ficken, Kotzen, Tanzen: So stellen sich berufsjugendliche berlinbesoffene Feuilletonisten das Jungsein gern vor. Hegemann gibt ihnen, was sie verdienen.

4) Anna Gavalda: Ein geschenkter Tag (Deutsch von Ina Kronenberger, Hanser Verlag, 144 S., 12,90 €)

In dieser Erzählung schildert Anna Gavalda sympathisch unaufgeregt, wie sich drei Geschwister der Routine eines Hochzeitsfestes entziehen, einen alten Freund in einem Schloss auf dem Land besuchen und gemeinsam zur Erkenntnis gelangen, dass sie „endlich erwachsen werden“ müssen. Ein kleines angenehmes Buch.

3) Jussi Adler-Olssen: Erbarmen (Deutsch von Hannes Thiess, DTV, 419 S., 14,90 €)

Noch ein skandinavischer Serienkrimi. Dieser kommt aus Dänemark und bietet das Debüt des Vizekriminalkommissars Carl Mørck und seines syrischen Assistenten Hafez el-Assad, die auf dem Abstellgleis gelandet sind – bis sie sich für den Fall einer seit fünf Jahren verschwundenen Politikerin zu interessieren beginnen. Ordentliche Unterhaltung.

2) Martin Suter: Der Koch (Diogenes Verlag, 272 S., 21,90 €)

Vielleicht liegt es an meinem Faible fürs Kulinarische. Dieser Schweizer Autor mit seinem Unterhaltungsroman über einen tamilischen Koch in Zürich hat mich erst mal begeistert. Die ersten hundert Seiten lang. Bloß ist Martin Suters „Der Koch“ dann erst zu einem Drittel vorbei. Danach schleppt sich diese moralinsaure Story über molekulare Liebesspeisen, den internationalen Waffenhandel, die Schweiz und Sri Lanki aber so bräsig an ihr Ende, dass meine Begeisterung erst Enttäuschung und dann Ärger wich.

1) Tommy Jaud: Hummeldumm (Argon, 320 S., 13,95 €)

Diese im nervtötenden Comedysound erzählte Geschichte über eine deutsche Urlaubergruppe in Namibia ist von der ersten Seite an unerträglich. „Mit solchen Leuten fährt man nicht durch Afrika“, überlegt sich der Ich-Erzähler zu Beginn. „Mit so einer Truppe dreht man ’ne Dokusoap für RTL 2!“ Da hat er leider recht.

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