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Kultur: Aus dem Weg, du Hexe!

Berliner Uraufführung: Georg Katzers „Medea“ nach Christa Wolf

Wenn ein Roman den Untertitel „Stimmen“ trägt, liegt es nicht fern, dass ihm tönende Formen folgen, ob im Schauspiel oder in der Musik. So hat Christa Wolfs Buch „Medea“ (1996) mit ihren inneren Monologen schnell nach außen gefunden und das Licht mehrerer Bühnen erblickt. Jetzt hat die Autorin zusammen mit ihrem Mann Gerhard Wolf den Stoff noch einmal modelliert, um ihn für ein Oratorium tauglich zu machen. An der Verfertigung des Librettos hat der Komponist Georg Katzer in Diskussionen zu Dritt teilgenommen. Beschränkung einerseits, Neugestaltung andererseits war die Aufgabe, da das Stück als Auftragswerk der Berliner Singakademie nach einer eigenen Rolle für den Chor verlangte. Und siehe: Die Chöre tragen die Tradition der Bachschen Passionen in die Gegenwart und zugleich die Handschrift des ehemaligen Eisler-Schülers Katzer. „Aus dem Weg, du Hexe, Hexe“, so formuliert sich ihr „Kreuzige“, und der Zyniker Akamas erscheint wie ein korinthischer Pilatus, wenn er sein Volk fragt: „Was wollt ihr, dass ich tue?“ – nämlich mit Medea.

Christa Wolf kommt von „Kassandra“, Georg Katzer von „Antigone oder Die Stadt“, jeder also von seinen Griechenthemen, um nun „Medea in Korinth“ zusammen zu begleiten. Bei Wolf ist Medea keine Mörderin. Der Mythos erlaubt die Variation. Das heißt, dass die Aurorin zu älteren Fassungen hinter Euripides zurückgeht, in welchen die Kinder von den Korinthern im Hass gesteinigt werden. Die Königstochter aus Kolchis weiß um das Geheimnis eines korinthischen Blutopfers. Danach, so wird gesagt, sei die Stadt aufgeblüht. Medeas Klage um die Toten wird vom Chor mit „Kindsmörderin“ konterkariert. Eine Fremde in Korinth. In Medea steckt ein Stück Christa Wolf, und die Figur bleibt im Oratorium unverändert: „Sie ist, so sehe ich sie, unsere Zeitgenossin.“

Ein zitathaftes Spiel mit Oboen, Harfen, Flöten sucht das Land der Griechen im Klang. Fesselnd ist vor allem die ausgeklügelte Deklamation der (Sprech-)Chöre mit Triolierungen oder hervorzischenden Konsonanten: Missetat, Geheimnis, Schicksal, Schuld. Die Singakademie unter ihrem Chef Achim Zimmermann bewältigt ihre Aufgaben souverän. Konzentration der Uraufführung im Konzerthaus: Das Berliner Sinfonie-Orchester brilliert von der Blechattacke bis zum Cellosolo. Horrende Spitzentöne erklimmt Julie Moffat (Glauke), Annette Markert ist Medea, das Idealbild, Robert Künzli mit scharfem Tenor der Jason, Peter Klaveness der böse Bass. Als interessanteste Figur tritt Leukon auf, der Zweite Astronom, weil er einen Mitläufer darstellt, der darunter leidet, ein Mitläufer zu sein. Eine Sprechrolle, musikalisch durchaus komplex. Winfried Wagner erfüllt sie mit differenzierenden Tönen der Warnung und Resignation. Sybill Mahlke

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