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Boulenz und Barenboim bei einem Konzert mit der Berliner Staatskapelle 2011.

© Thomas Bartilla

Pierre Boulez: Ausflug zu den Anfängen

Zum Geburtstag: Boulez’ Klavierwerk in der Staatsoper.

Die Festspiele der Staatsoper veranstalten anlässlich des 90. Geburtstags von Pierre Boulez eine große Hommage. Die persönliche Begegnung mit dem Komponisten und Dirigenten muss unvergleichlich sein, wie bei einer von Daniel Barenboim und Jörg Widmann moderierten Podiumsdiskussion zu erfahren war. Während Barenboim, seit mehr als 50 Jahren mit Boulez befreundet, an den konstruktiven Aspekt aller musikalischen Emotion erinnerte, beschwor Widmann den Klangekstatiker und Ausdrucksmusiker, der vom Image des grimmigen Avantgardisten und komponierenden Mathematikers Boulez oftmals verdeckt wird.

Der Pianist und Dirigent Michael Wendeberg, der ebenfalls an der Diskussion teilnahm, hat lange als Pianist des Ensemble Intercontemporain eng mit Boulez zusammengearbeitet. Im Schillertheater spielt er nun das gesamte Klavierwerk des Komponisten an einem Abend; eine nahezu übermenschliche Herausforderung. In manueller Hinsicht mindestens ebenso schwer wie die Virtuosenliteratur von Liszt bis Skrjabin, die geforderte geistige Konzentration lässt sich kaum ermessen. Das Projekt bietet über weite Strecken einen Ausflug in die Urgeschichte des Boulez’schen Komponierens; die drei Klaviersonaten (die traditionelle Gattungsbezeichnung ist eine Ausnahme im Werk des Komponisten) sind in den 40er und 50er Jahren entstanden.

Wendeberg beeindruckt durch prägnante Gestik

Der Abend beginnt mit den 1945 komponierten „Notations“, die Boulez Jahrzehnte später zu einem seiner berühmtesten Orchesterwerke umgearbeitet hat. Die zwölf Miniaturen verfügen über jene „Fasslichkeit“ (eine Lieblingsvokabel von Schönberg), die auch komplexen musikalischen Gebilden zu einer nachvollziehbaren ästhetischen Gestalt verhilft. Eine weitaus größere Anstrengung für Musiker und Publikum fordern die Klaviersonaten: Die motivischen Zellen sind auf engsten Raum zusammengedrängt, während Intervalle in die entferntesten Register auseinander gerissen werden. Wendeberg beeindruckt durch prägnante Gestik und einen ungewöhnlich flexiblen Anschlag, der den trockenen, perkussiven ebenso wie den nachklingenden, zarten Passagen der Werke gerecht wird. Mit wunderbar ausgehörten Dissonanzen in einer zugegebenen Sarabande von Bach zeigt der Pianist am Ende, wie sehr die Beschäftigung mit Boulez das Ohr auch für die Interpretation traditioneller Musik schärft. In diesem Sinne darf man gespannt sein auf die „Zauberflöte“, die Wendeberg im Mai an der Staatsoper dirigieren wird.

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