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Ausstellung: Das Biedermeier als "Geburtsstunde der Moderne"

Viel belächelt und Urbegriff des Spießbürgertums - doch die Epoche Biedermeier hat mehr zu bieten als das, wie jetzt die Ausstellung "Biedermeier. Die Erfindung der Einfachheit" in der Albertina Wien zeigt.

Wien - Eine silberne Teekanne, die an Art Déco erinnert, ein Kanapee, das als Bauhaus-Möbel durchginge, eine Landschaftsgemälde mit fast kubistischen Zügen: Die Albertina Wien bringt in ihrer Ausstellung "Biedermeier. Die Erfindung der Einfachheit" die unbekannte, radikale Seite der meist belächelten Epoche ans Licht. Die Frühzeit der Stilepoche sei heute als "Geburtsstunde der Moderne" erkennbar, sagte Direktor Klaus Albrecht Schröder zur Eröffnung. Rund 450 Exponate aus der Zeit um 1810 bis 1830 allen Kunstbereichen belegen seine These und erstaunen mit zum Teil avantgardistisch anmutender Farb- und Formensprache.

So wirken etwa ein Damen-Schreibtisch aus schwarz gebeiztem Birkenholz oder ein Sekretär aus Ahorn gleichermaßen funktional wie objekthaft. Tische, Stühle und Schränke werden auf die geometrischen Grundformen reduziert, Ornamente verschwinden nahezu vollständig, starke Farbkontraste verstärken den fast abstrakten Eindruck. Die Präsentation vor einfarbigem, leuchtendem Hintergrund bringt die Reduktion auf eine am Material orientierte Formensprache zusätzlich zur Geltung.

Ablehnung des ornamentalen Prunks

Nach Schröders Worten entwickelte sich das frühe Biedermeier als ablehnende Reaktion auf den ornamentalen Prunk des französischen Empire. Der neue Stil in radikaler Einfachheit fand ein erstes großes Zentrum in der Stadt des Wiener Kongresses und erreichte von der Donau aus auch München, Dresden, Berlin und Kopenhagen. Entstanden als Stil der Hocharistokratie, wurde die neue Formensprache vom bürgerlichen Milieu übernommen und wurde zur "ersten authentischen Selbstaussage des Bürgertums", wie Schröder resümiert.

Dennoch sind auch jene Bilder zu sehen, die das gängige Biedermeier-Bild vom Rückzug in die eigene heile, beschauliche Welt bestätigen: Eine Reihe von Gemälden bildet das private Leben im Heim ab. Eine junge Frau, stickend am Fenster mit dem unvermeidlichen Blumentopf, Kinderporträts mit Spielzeug, detailgetreue Natur-Darstellungen. Dabei zeigt sich auch hier die für die Zeit revolutionäre Schlichtheit der Darstellung, die radikale Reduktion auf Farbe und Fläche, gepaart mit fast naturalistischer Genauigkeit.

Kooperation mit Historischem Deutschen Museum

Für die Albertina, die um 1745 als Palais im Auftrag von Herzog Albert von Sachsen-Teschen errichtet und um 1820 im neuen Stil radikal modernisiert wurde, bedeutet die Schau auch eine Präsentation der eigenen Geschichte. "Biedermeier. Die Erfindung der Einfachheit" ist in Zusammenarbeit mit dem Milwaukee Art Museum, dem Deutschen Historischen Museum Berlin und dem Pariser Louvre entstanden. Sie ist bis 13. Mai in der Albertina zu sehen, vom 8. Juni bis 2. September in Berlin und ab Oktober in Paris. (Von Irmgard Schmidmaier, dpa)

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