zum Hauptinhalt

Kultur: Ausstellung: Der Gönner

Wer im Straßenregister Berlins nach dem Namen eines seiner bedeutendsten Mäzene Ausschau hält, sucht vergebens. Kein Platz, keine Gasse erinnert an James Simon.

Wer im Straßenregister Berlins nach dem Namen eines seiner bedeutendsten Mäzene Ausschau hält, sucht vergebens. Kein Platz, keine Gasse erinnert an James Simon. "Erstaunlich" findet dies der Direktor des Ägyptischen Museums. Dietrich Wildung hat allen Grund, dem 1932 verstorbenen Förderer dankbar zu sein: "Man könnte unser ganzes Erdgeschoss in James-Simon-Museum umtaufen", sagt er. Der kunstliebende jüdische Kaufmann schenkte dem Ägyptischen Museum seine herausragendsten Exponate: Vom Grünen Kopf über die Statuette des Echnaton bis hin zur weltberühmten Porträtbüste der Nofretete. In einem konzertierten Kraftakt versuchen nun die Staatlichen Museen mit drei Ausstellungen und einem Sonderdruck, ihren spendabelsten Gönner zum 150. Geburtstag dem Vergessen zu entreißen.

Henri James Simon kam am 17. September 1851 in Berlin als Sohn wohlhabender jüdischer Eltern zur Welt. Ein Jahr später gründete sein Vater Isaak gemeinsam mit dessen Bruder Louis die "Gebrüder Simon Leinwand-Niederlage und Baumwollwaren-Fabrik". Das auf den Zwischenhandel mit US-Cotton spezialisierte Geschäft lief glänzend. Als der junge James mit 17 Jahren in die Firma eintrat, waren "Gebrüder Simon" auf dem europäischen Kontinent das führende Unternehmen der Branche. Es machte James Simon zu einem der reichsten Männer der Stadt. 1911 belief sich sein Vermögen auf rund 35 Millionen Reichsmark. Aus diesen Rücklagen finanzierte er sein kostspieliges Hobby: das Sammeln von Kunst und die Förderung der Museumslandschaft in der Hauptstadt.

Denn James Simon war ein Textilmagnat wider Willen. Eigentlich hätte er lieber Klassische Philologie studiert. Doch beugte er sich der Forderung seines Vaters, den Familienbetrieb zu übernehmen und kompensierte dies fortan mit einer umfassenden Sammelleidenschaft. Dabei zählte für Simon nur erstklassige Qualität. "An Zeit, Schule, Motiv binde ich mich nicht eng, weil ich nicht Sammler einer Spezialität sein will", schrieb er in einem Brief an Wilhelm von Bode.

Mit dem Generaldirektor der Berliner Museen hatte Simon einen sachkundigen Freund gefunden, der ihm beim Aufbau seiner Kollektion behilflich war. Im Gegenzug erwartete Bode großzügige Gaben für die von ihm geleiteten Einrichtungen. 1885 stiftete der Kaufmann erstmals der Gemäldegalerie ein 1380 entstandenes Andachtsbild. Weitere Gemälde und Plastiken folgten. 1904 übereignete Simon gar seine gesamten Renaissance-Werke: 21 Gemälde, darunter das Meisterwerk "Maria mit dem schlafenden Kind" des Manieristen Andrea Mantegna, sowie 443 Stücke für die Skulpturensammlung. Unter einer Bedingung: Ein Teilbestand sollte hundert Jahre lang in einem Einzelkabinett gezeigt werden. Die Nazis ignorierten das Vermächtnis des Juden Simon: 1938 wurden in den Staatlichen Museen sämtliche Hinweise auf jüdische Stifter getilgt. Heute weist die Gemäldegalerie in ihrer ständigen Ausstellung 16 Arbeiten als seine Schenkungen aus.

Sein größtes Verdienst erwarb sich Simon aber beim Aufbau der Antiken Sammlungen Berlins, die ohne ihn nicht denkbar sind. 1898 ließ er die Deutsche Orient-Gesellschaft (DOG) gründen und finanzierte ihre Grabungen. Das öffnete ihm die Türen bei Hof: Kaiser Wilhelm II. wurde DOG-Patron. Aus rechtlichen und steuerlichen Gründen gingen die Funde der Archäologen in Simons Besitz über, der ihn an die Museen abtrat.

Was motivierte Simon zu seiner Freigebigkeit? War es Ruhmsucht, Verlangen nach Anerkennung, die Nähe zur Macht? Nichts dergleichen, sagt sein Biograph Olaf Matthes: "Für Simon war dies praktizierte Bürgerpflicht." Als Beleg für diesen Altruismus verweist Matthes auf ein weitgefächertes soziales Engagement: Simon finanzierte ein Sommerheim für Kinder an der Ostsee und half Künstlern sowie Wissenschaftlern mit Stipendien. Deshalb regt Dietrich Wildung an, auf der Museumsinsel zumindest den Anbau an das Neue Museum nach Simon zu benennen. Da das Haus an der Nordspitze seit langem den Namen seines Gefährten Wilhelm von Bode trägt, wäre dies ein Akt historischer Gerechtigkeit.

Oliver Heilwagen

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false