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Ausstellung: Im Farbdschungel

Triumph des Ornaments: Der US-Maler Philip Taaffe in Wolfsburg.

Das Kunstmuseum Wolfsburg hat jetzt einen Garten, aber es wächst kaum etwas, denn es ist ein japanischer Garten mit viel Kies und Grau und Leere; er ist noch übrig von der vergangenen Ausstellung „Japan und der Westen“. Auf dem Weg durch die aktuelle Schau, die labyrinthartig angelegte Retrospektive des amerikanischen Malers Philip Taaffe, bietet sich dem Besucher irgendwann ein Ausblick auf diesen Garten, und es ist wie ein Aufatmen nach all den Leinwänden voller Mandalas, Spiralen, Blätter, Amöben, Girlanden, Rauten, nach all der von Fries und Stuck, Fossilien und Grabstelen abgeschauten Ornamentik.

Direktor Markus Brüderlin eröffnete 2007 mit der Japanschau „eine Suche nach der Moderne im 21. Jahrhundert“. Mit Philip Taaffe und seinem „Leben der Formen“, so der Titel, hat sich die Erkundung, die bei der Leere begann, in Überfülle und Beliebigkeit festgefahren. Eine Reise soll der Gang entlang der neunzig Arbeiten aus 28 Jahren sein, eine Tour, die vom mäandernden Ausdrucksstreben in der Menschheits- und Naturgeschichte erzählen will – und doch eher vom recht eigenwilligen Weg eines Malers Zeugnis gibt.

Philip Taaffe wollte malen, doch wo beginnen, Ende der siebziger Jahre in New York? Da war zum einen das Erbe der großspurigen New York School, zum anderen das der coolen Pop-Art. Der 1955 geborene Künstler, der auch noch ausgerechnet beim konzeptuellen Hans Haacke studierte, konnte sich weder für das eine noch das andere erwärmen. Also nahm er alles. Taaffe eignete sich die jüngere Malereigeschichte an: In Wolfsburg hängt das Werk, das ihn bekannt gemacht hat, „We Are Not Afraid“ von 1985. Diese Linoldruckcollage ist eine fröhliche Antwort auf Barnett Newmans „Who’s Afraid of Red Yellow and Blue II“. Taaffe hat aus den vertikalen blauen und gelben Linien, die bei dem Farbfeldmaler das Rot schnurstracks durchschneiden, Kordeln und Ranken gemacht. Das Spiel war eröffnet. Taffee legte die Umrisse von Duchamp-Readymades über eine Komposition von Ellsworth Kelly, verkehrte die Op-Art Bridget Rileys ins Negativ, und wenn er sich der menschlichen Figur näherte, dann sah das gleich ein bisschen aus wie bei Matisse.

Ende der achtziger Jahre entdeckte Philip Taaffe, der nun viel unterwegs war in Südeuropa, Afrika und Asien, die Natur und Kulturgeschichte als nie versiegende Formenquelle. Ein zentraler Raum der Ausstellung ist bis zur Decke mit „Arbeitsmaterialien“ aus dem Atelier behängt: Blätter mit aus Büchern abgemalten Naturformen und Ornamenten, die der Künstler dann – gemalt, geklebt, gedruckt – auf die zumeist großformatige Leinwand bringt. Der Fleiß und der Reichtum der Techniken beeindruckt. Die blassbunte Schichtungen von Ornamenten lässt an verwitterte Wände denken, an Höhlenmalerei, Stammeskunst, barocke Opulenz, Arabesken. Doch Philip Taaffe konkurriert eben auch mit psychedelischem Kitsch, mit Batikkleidern und Kunsthandwerk. Deshalb muss man nicht Kandinsky bemühen, der vom Ornament als „Sündenfall“ sprach, oder Adolf Loos, für den Ornament und Verbrechen dicht beieinanderlagen, um es schwer mit diesem New Yorker zu haben. „Und nicht schlecht ist die Welt, sondern voll“, dichtete Brecht, und so ist es auch mit Taaffes Werk, das nicht eigentlich schlecht ist, sondern nur zu viel zulässt, zu versöhnlich auftritt, die Dekoration nicht unter Kontrolle hält.

„Ich habe etwas in meiner DNS, und ich will mit meiner Kunst herausfinden, wer ich bin, was ich bin“, sagte der Künstler kürzlich bei einem Gespräch im Hamburger Bahnhof in Berlin. Doch auf Erkenntnis darf man in Wolfsburg kaum hoffen. Nicht nur wegen der häufigen Siebdrucktechnik erinnern die gezeigten Bilder häufig an die undurchdringliche Oberflächlichkeit Andy Warhols, besonders an dessen Camouflage-Leinwände. Doch Warhol feierte die Oberfläche, Taaffe sucht Tiefsinn, das trübt seine eigentlich sympathisch spleenige Arbeit. Und so kann er das Museum zwar mit Material füllen, doch ist ihm eine Retrospektive dieses Ausmaßes eigentlich zu groß.

Kunstmuseum Wolfsburg, noch bis 29. Juni, Katalog (Hatje Cantz) 32 Euro.

Daniel Völzke

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