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Instabile Zeiten. Die Ausstellung „Breaking Windows“ bei Feinkost ist die letzte von Galerist Aaron Moulton.

© Georg Moritz

Ausstellungen: Galerie Feinkost: Letzter Einlass

Wenn es kriselt: In Berlin schließen immer mehr mittelständische Galerien. Das trifft vor allem die Künstler. Sie müssen dafür sorgen, dass ihre Arbeiten in Berlin sichtbar bleiben.

Es ist ein stimmiger Schlussakkord. Drei Jahre hat die Galerie Feinkost in der Brunnenstraße ihr eigensinniges Programm gemacht, nun schließt sie mit einer Ausstellung, die das Interesse der Galeristen Aaron Moulton und Mette Ravnkilde Nielsen noch einmal auf den Punkt bringt. „Breaking Windows“ zeigt Arbeiten von zwölf Künstlern und Künstlergruppen zu instabilen Gesellschaften.

So versinnbildlicht das malerische Foto, das Michael Stevenson vom zerkratzen Schriftzug der ehemaligen Tony Shafrazi Galerie in Teheran machte, die zerrütteten Beziehungen zwischen dem Iran und dem Westen. Gulnara Kasmalieva und Muratbek Djumaliev zeigen drastisch geschnittene Videobilder von der kirgisischen Revolution 2005, die sie mit Takten aus Griegs „Peer Gynt“ konterkarieren. Politik, Soziales und Wirtschaft, darum ging es hier oft.

Nicht nur Feinkost schließt. Bei den mittelständischen Berliner Galerien reißen Lücken ein. Bereits im Sommer zog Gitte Weise zurück nach Australien. Sönke Magnus Müller hat seine Galerie am Rosa-Luxemburg-Platz zugemacht, Klara Wallner am Tempelhofer Ufer. Volker Diehl baute heute seine letzte Schau in der Kreuzberger Lindenstraße ab. Im Mai 2011 will er seine ehemalige Galerie in Charlottenburg wiedereröffnen. Inga Kondeyne gibt wegen einer Mieterhöhung ihre Galerie in der Linienstraße auf und sucht einen neuen Ort. Coma ist mit Homepage und Telefonanschluss verschwunden.

Und jeder hat seine Gründe. Gitte Weise vertraut lieber ihren alten Kontakten in Australien. Müller entwickelt nun Ausstellungen, etwa die von Alex Schweder im alten Busdepot von Pankow im Dezember, Wallner plant Ähnliches. Moulton, der nie verheimlicht hat, dass das Geld seiner Eltern Feinkost ermöglichte, möchte freier kuratieren.

Zu Panik besteht also kein Anlass, doch zu Sorge. Das Ende vieler Galerien ist für das Publikum ein herber Verlust. Müller bot eine Plattform für Arbeiten etwa von Piotr Nathan, Sabine Gross und Susanne Weirich, Weise für Berliner Künstler wie Nevin Aladag sowie für Positionen aus Australien wie von Claire Healy und Sean Cordeiro. Doch das Karussell dreht sich weiter. Das im Finanzcrash 2008 vorausgesagte große Sterben hat nicht stattgefunden. Die Zahl der Gründungen ist zwar seitdem rapide gesunken, doch beim Landesverband Berliner Galerien zählte man 2010 immer noch doppelt so viele Eröffnungen wie Schließungen: 60 zu 30. Die Fluktuation ist hoch. Berlin hat inzwischen den Ruf eines Durchlauferhitzers, eines „harten Pflasters“. Rund 470 Galerien gibt es derzeit. Etwa die Hälfte von ihnen soll laut der Berliner Kunststudie des Instituts für Strategieentwicklung vom Sommer 2010 weniger als 50 000 Euro im Jahr umsetzen

Vielen Galeristen machen die Mieterhöhungen in der Innenstadt zu schaffen, sagt Werner Tammen vom Landesverband. Ihre Bereitschaft für riskante Positionen sinke, doch wachse allmählich eine verlässlichere mittelständische Kundschaft. Seit er keine Galerie mehr habe, sagt Magnus Müller, verkaufe er sogar besser. Diehl zeigt sich skeptischer: Im beschleunigten Geschäft wachsen die global player immer weiter und werben den mittelständischen Galerien die Künstlerstars ab, die diese aufgebaut haben. Für Treue, sagt er trocken, sei keine Zeit mehr.

Schließt eine Galerie, trifft es jedoch vor allem die Künstler. Sie müssen dafür sorgen, dass ihre Arbeiten in Berlin sichtbar bleiben. Aladag stellt ab heute bei Wentrup aus, in der Rubrik „Projekte“ statt im Hauptprogramm. Healy und Cordeiro aus Sydney haben in Berlin noch die Galerie Nature Morte, dennoch erschreckte sie die Nachricht von Weises Abschied. „Ich wünschte, ich hätte an jenem Abend nicht noch meine Mails gelesen“, erinnert sich Cordeiro. „Ich lag im Bett und fühlte mich nur noch schlecht. Gitte hat der Berliner Kunstwelt und Clubszene unermüdlich australische Künstler und Sammler vorgestellt.“

In einer Fensterecke bei Feinkost löst sich die Wand von der Decke, eine Arbeit aus Latex und Farbe von Kate V. Robertson. „Untitled (Revelation)“ heißt sie, „Ohne Titel (Enthüllung)“. Doch was sie enthüllt, kann der Besucher nicht sehen, zu hoch ist die Wand. Eine schöne Allegorie auf die Berliner Situation. Das Fundament steht, aber es bröckelt, und dahinter tut sich etwas Neues auf. Nur was, das lässt sich noch nicht erkennen.

Galerie Feinkost, Bernauer Str. 71-71; bis 21. 11., Mi - Sa 11 - 19, So 14 - 18 Uhr / Galerie Wentrup, Tempelhofer Ufer; bis 13. 11., Di - Sa 11 - 18 Uhr.

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