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Architektur: Dinos auf dem Dach

Die Entdeckung einer amerikanischen Volksarchitektur: "Learning from Las Vegas" - Venturis legendäre Stadtanalyse im Frankfurter Architekturmuseum.

Hier war vieles erlaubt, was andernorts als verpönt galt. In Las Vegas, der Spielermetropole, blinkte es von allen Fassaden. Dort entstand eine eigene Architektur, die freilich von Fachleuten als besseres Disneyland belächelt wurde. 1968 aber brachen Robert Venturi und Denise Scott Brown mit ihren Studenten auf, um die Stadt in der Wüste von Nevada vorurteilsfrei unter die Lupe zu nehmen. Die beiden amerikanischen Architekten kamen mit 5000 Farbdias und 3000 Meter Filmmaterial zurück. Ihr vier Jahre später erschienenes Buch löste einen Dammbruch in der Bauwelt aus.

Erstmals hatte sich jemand ernsthaft mit dem Pop-Phänomen beschäftigt und eine amerikanische Volksarchitektur entdeckt, nach all den aus Europa importierten Moderne-Bewegungen. Doch das ist Geschichte. Heute besteht Las Vegas aus Kopien von Paris und den Pyramiden. Nun hat das betagte Architektenpaar sein Archiv geöffnet und präsentiert mit 100 Fotos und sechs Filmen eine neue Auswahl der legendären Analyse. Nach dem schweizerischen Kriens ist die Schau jetzt im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt am Main zu sehen.

Freilich mutet heute der 40 Jahre alte Blick auf Las Vegas fast nostalgisch an. Die meisten Flachbauten mussten höheren Bauten weichen. Damals waren es „dekorierte Schuppen“, einfache Hallen mit Namen wie „Stardust“ und „Golden Nugget“. Diesen „Schuppen“ stellten Venturi und Scott Brown die „Enten“ gegenüber, Gebäude, die ihre Aufgabe über die Hülle verrieten: Die gigantische Ente birgt ein Restaurant rund ums Federvieh, der überdimensionale Hot Dog einen Schnellimbiss. Aber das war den Autoren zu vulgär, sie begeisterten sich für schlichte Bauten mit Leuchtzeichen.

Das Bildmaterial hatten sie unter dokumentarischen Aspekten gesammelt, konnten sich aber nicht der Faszination dieser Stadt entziehen. Fortan ordneten sie auch ihren eigenen Bauten eine klare Erkennbarkeit zu, wie Skizzen verraten. Darunter befindet sich ein nicht gebautes Wissenschaftsmuseum: eine flache Kiste mit einem Dinosaurier auf dem Dach als weithin sichtbares Symbol – die Ankunft von Las Vegas in der Kulturwelt.

Die Stadtanalyse der Architekten indes war eine Absage an die Avantgarde und das ständige Neuerfinden. Das Duo forderte dazu auf, zunächst über den Raum nachzudenken. Dieser Prozess mündete wie bei den meisten Architekten in der postmodernen Formensprache. So wurden Venturi und Scott Brown ungewollt zu Protagonisten der Postmoderne, der es zwar um historische Kontinuität ging, aber mit problematischen formalen Rückgriffen. „Learning from Las Vegas“, so der Titel der Studie, ist der Schlüssel zum Verständnis der Postmoderne. Die wieder neu präsentierte Studie und das dazu neu aufgelegte Buch rücken sie in ein klareres Licht.

Frankfurt/Main, Deutsches Architekturmuseum, bis 21. Juni. Katalog 29,90 €.

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