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Historisches Berlin: Kaiserhalle und Hoffriseur

Dramaturgisch der Idee eines Stadtspaziergangs durch Bezirke wie Tiergarten, Mitte, Moabit und Friedrichshain folgend, ermöglicht die Ausstellung "Hier ist Berlin!" Einblicke in das urbane Leben Berlins seit dem 13. Jahrhundert.

In diesen „ernsten Zeiten“, schrieb Franz Hessel 1929, könne er das Spazierengehen jedem getrost empfehlen, der einigermaßen gut auf den Beinen sei. Hessels prototypischer Flaneur mochte noch Zeit und Muße für ausgedehnte Stadtwanderungen haben; heutige gehetzte Metropolenbewohner müssen sich dagegen geradezu einen Museumsbesuch auferlegen, um ihr Schrittempo zu reduzieren. Wie schön, dass das Stadtmuseum eine Flaniermeile unter Dach und Fach arrangiert: „Hier ist Berlin!“ heißt die neue ständige Ausstellung mit Schätzen und Geschichten aus ihrer Sammlung.

Dramaturgisch der Idee eines Stadtspaziergangs durch Bezirke wie Tiergarten, Mitte, Moabit und Friedrichshain folgend, ermöglicht die Ausstellung Einblicke in das urbane Leben Berlins seit dem 13. Jahrhundert. Dabei folgt der Rundgang nicht chronologisch der Stadtgeschichte, vielmehr werden historische Alltagsgegenstände mit Kostbarkeiten aus der Sammlung des Stadtmuseums kombiniert. Einige der Objekte waren jahrzehntelang nicht gezeigt worden.

Im Klosterviertel geht es zunächst vorbei an Figuren, Vasen und Krügen von Wilhelm Caspar Wegely, dem ersten Berliner Porzellanmanufakturhersteller aus dem Jahr 1751. Es folgt Unter den Linden um 1820, entlang der berühmten „Lindenrolle“. Hier nur eine Reproduktion, sieht man flotte Damen und feine Herren in Pferdewagen über das Berliner Kopfsteinpflaster rollen. Hundert Jahre später duftet es beim Anblick der noblen Caféhäuser Bauer und dem Restaurant Kaiserhallen nach feinem Kaffee. In der Mittelstraße, Ecke Friedrichstraße geht es direkt in den legendären Salon des königlichen Hoffriseurs François Haby. Original erhalten sind zwei Frisierplätze mit Sesseln aus rötlich-dunklem Mahagoniholz, Waschbecken aus grünem Mamor sowie Gas und Wasserleitungen aus poliertem Messing.

Weiter führt der Großstadtspaziergang den Flaneur durch die Wilhelmstraße, zum Kurfürstendamm, zum Hansaviertel und bis zur einstigen Stalinallee. Auch wenn die Auswahl der Exponate manchmal eher zufällig wirkt, dürften sowohl Historiker als auch Laien auf ihre Kosten kommen. Bewegliche Schautafeln mit englisch-deutscher Audiofunktion informieren schnell und allgemein über die Geschichte der Straßenzüge und Stadtviertel. Eingehendere Informationen vermitteln die Kuratoren, die ihre Kabinette mit viel Hingabe betreuen. So rast der Flaneur, denn doch im Eiltempo des Zeitreisenden, durch die Lokalhistorie – und lässt sich am Ende, zwecks Erstverarbeitung der frisch erworbenen Erkenntnisse, auf die nächstbeste Parkbank fallen. Julia Boeck

Stadtmuseum, Am Köllnischen Park 5, Di, Do - So 10 - 18 Uhr, Mi 12-20 Uhr

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