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Eva Gonalès

© Kunstverein Bremen

Impressionismus: Eva und der Apfel

War der Impressionismus weiblich? Zwei Ausstellungen in Köln und Frankfurt werfen diese Frage auf.

Im Wallraf-Richartz-Museum in Köln hat man sich vorgenommen, die maltechnischen Besonderheiten der Impressionisten zu klären. Haben sie im Freien gemalt oder im Atelier, mit Vorzeichnung oder schnell direkt auf die Leinwand, wie hat die Entwicklung von Farbtuben, Malereigeschäften und vorgefertigten Leinwänden sie beeinflusst, was für Rahmen haben sie bevorzugt, und wie haben die Bilder sich im Laufe der Zeit verändert?

All das wird in der Ausstellung „Impressionismus. Wie das Licht auf die Leinwand kommt“ geradezu volkshochschulhaft eindringlich demonstriert – Kunstunterricht für jedermann. Unter dem Punkt „Weiblich?“ gibt es Überlegungen, ob die Tatsache, dass Malerinnen wie Berthe Morisot und Mary Cassatt besonders feine Leinwände bevorzugten, sie umdrehten und auf die glatte Rückseite malten, etwas mit weiblichem Interesse an Gewebe und Textil zu tun hat.

Die Frankfurter Ausstellung „Impressionistinnen“, die parallel zur Kölner Schau läuft, würde eine solche Fragestellung weit von sich weisen. Gibt die Kuratorin Ingrid Pfeiffer sich doch größte Mühe zu belegen, dass die vier malenden Frauen Berthe Morisot, Mary Cassatt, Eva Gonzalès und Marie Bracquemond, die in überwältigender Bildfülle von 150 Werken vorgestellt werden, keineswegs anders malten als ihre pinselführenden Kollegen. Nicht schlechter, schon gar nicht „weiblicher“, höchstens vergessener. Der Ruhm, den Renoir, Monet und Degas längst in aller Welt genießen, ist ihren Kolleginnen nicht zuteil geworden.

Eine Entdeckung, gar eine „Premiere“, wie die Plakate etwas marktschreierisch verheißen, ist die Ausstellung natürlich trotzdem nicht. Berthe Morisot ist in Europa bestimmt keine Unbekannte, die Amerikanerin Mary Cassatt in den USA hoch geschätzt und hoch gehandelt. Der enorme Publikumsandrang schon in den ersten Ausstellungswochen zeugt von der Beliebtheit auch hierzulande. Mit dem Pochen auf weiblicher Gleichberechtigung tut die Ausstellung ihren vier Stars nicht unbedingt einen Gefallen. Wandelt man durch die Räume, vorbei an diesem Flirren, Leuchten, Schimmern, der selbstverständlichen Professionalität und überwältigenden Modernität dieser Bilder, verbietet sich jeder Versuch, die Künstlerinnen gegen ihre männliche Konkurrenz in Schutz nehmen zu wollen. Sie haben es einfach nicht nötig.

Was die Frankfurter Ausstellung trotzdem zu einem Ereignis macht, ist ihre nahezu enzyklopädische Ausrichtung – und der Vergleich zwischen den verschiedenen Künstlerviten, die alle Facetten familiärer Künstlerkonstellationen aufweisen und sich gleichzeitig immer wieder auf den gleichen Personenkreis beziehen. Der bewunderte Manet war Freund von Berthe Morisot, die seinen Bruder Eugène heiratete, und Lehrer von Eva Gonzalès, deren Talent er seiner Freundin Berthe gegenüber nicht unbedingt zu deren Vergnügen immer wieder rühmte. Degas wiederum, der Unbeständige, Unzuverlässige pflegte sowohl mit Mary Cassatt als auch mit Marie Bracquemont enge Freundschaft, hatte mit beiden vielleicht sogar Affären. Berthe Morisot und Mary Cassatt waren befreundet, tauschten Motive oder Tipps für Sommerhäuser aus. Marie Bracquemont und ihr Mann waren mit dem Ehepaar Sisley gut bekannt.

Man trifft sich also, im Kreis der Pariser Impressionisten. Wie selbstverständlich die Frauen dazugehören, immer wieder an den – in Opposition zum Pariser Salon organisierten – Gruppenausstellungen teilnehmen, belegen unzählige zeitgenössische Äußerungen. Natürlich gibt es auch solche Stimmen wie den Kritiker Paul de Charry, der vermeldet: „Warum macht sie sich, bei ihrem Talent, nicht die Mühe, ihre Bilder fertigzumalen? Morisot ist eine Frau, und somit launisch. Wie Eva beißt sie in den Apfel hinein, gibt dann aber viel zu schnell auf. Das ist schade, denn sie beißt sehr gut.“ Aber die allgemeine Meinung ist: „Niemand repräsentiert den Impressionismus mit feinerem Talent und mehr Autorität als Berthe Morisot“.

Das Thema Weiblichkeit taucht schon in der zeitgenössischen Rezeption auf – indem der Stil des Impressionismus selbst als „weiblich“ bezeichnet wird, und das nicht immer nur abwertend. Die Wahl der Sujets, oft Gartenbilder, häusliche Szenen, Stillleben und Kinderbilder, die flüchtige Malweise mit besonderem Sinn für Stofflichkeit und Textur, die entschiedene Abkehr von den zeitgenössischen Prestigethemen wie Historienmalerei hin zu einer Feier des Alltags – all das erschien neuartig, revolutionär – wie der Auftritt der Frau in der Berufswelt, und auch in der Kunst.

Neu in der Tat ist die Rollenverteilung, wenn Eugène Manet die Kinderbetreuung übernimmt, während Berthe Morisot mit Malen den Familienunterhalt verdient. Ein wunderbares Bild von 1883 zeigt ihn mit seiner Tochter im Garten, wahrscheinlich das erste Bild eines alleinerziehenden Vaters. Dass sich die Malerinnen so gern mit ihrer Familie, den Töchtern, aber auch den so geliebten Schwestern als Modellen befassten, hat natürlich damit zu tun, dass ihnen als Damen der Gesellschaft andere Locations wie die Bars und Cabarets von Paris, wo Manet und Degas ihre Motive suchten, verschlossen blieben. Es ist aber auch so, dass ein neues Interesse am Alltag sie zu den Bildern von Ammen, Dienerinnen und häuslichen Szenen führt. Und die Lust an Licht und Farben treibt sie, wie auch ihre männlichen Kollegen, in die Gärten und Flusslandschaften um Paris, ans Meer und an den Strand. Hier schließt sich der Kreis zur Kölner Ausstellung, die anhand von Sandkörnern im Öl, von Abschabungen und Transportspuren nachweist, dass die Bilder tatsächlich vor Ort gemalt wurden.

Die Lebenswege dieser Frauen zeigen Alternativen, die auch heute noch gelten. Der kinderbetreuende Mann bei Berthe Morisot – ein Zukunftsmodell. Auch die früh verstorbene Eva Gonzalès wurde von ihrem Mann, dem Maler Henri Guérand, unterstützt, geschätzt und als überlegene Künstlerin anerkannt. Mary Cassatt, die selbstbewusste Amerikanerin, hat sich der Kunst zuliebe entschlossen, nicht zu heiraten. Beruf oder Familie – sprechen die vielen „Mutter-undKind“-Bilder, die sie gemalt hat, vom Gefühl eines Versäumnisses, oder ist es nur, wie Monets Heuhaufen, wie Degas’ Tänzerinnen, eine Serie, die am immergleichen Sujet ihre Möglichkeiten erprobt?

Nur Marie Bracquemond, die mit ihrem freien, innovativen Stil immer wieder in Konflikt mit ihrem konservativ-realistischer arbeitenden Mann, dem Kupferstecher Félix Bracquemond gerät, entscheidet sich um des Ehefriedens willen, die Malerei aufzugeben. Dass ihr, die seit 1919 nicht mehr umfassend gewürdigt wurde, in der Frankfurter Ausstellung besonders breiter Raum eingeräumt wird, ist in der Tat eine Wiedergutmachung.

Impressionistinnen, Schirn Frankfurt, bis 1. Juni. Katalog (Hatje Cantz) 29,80 €.

Impressionismus, Wallraf-Richartz-Museum Köln, bis 22. Juni.

Christina Tilmann

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