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Biennale_Storr_2000

© AFP

Venedig: Eine Biennale mit Botschaft

Es bewegt sich etwas auf der 52. Kunstbiennale in Venedig: Schock-Kunst ist "out", eine neue Ästethik und geradlinige Ehrlichkeit, die das Herz berühren, sind ganz "in".

Die Besucher der Kunstbiennale in Venedig werden sich in diesem Jahr eines Eindrucks nicht erwehren können: Es ist unmöglich geworden, vor den Dramen der Welt die Augen zu verschließen. Es bewegt sich etwas. Hatten schon die Mächtigen beim G-8-Gipfel in Heiligendamm Afrika und den Klimawandel ganz oben auf ihre Agenda gesetzt, scheinen sich nun auch Künstler aus aller Herren Länder mit den brennenden Problemen der Welt auseinander zu setzen. Aber was am Canal Grande besonders überrascht ist die Art und Weise, in der die politischen Botschaften verbreitet werden: Schock-Kunst ist "out", eine neue Ästethik und geradlinige Ehrlichkeit, die das Herz berühren, sind ganz "in".

"Da bekommt man ja direkt wieder Hoffnung für die Zukunft", raunt eine Besucherin der Presse-Vernissage am Ausgang. Und nach dem Durchwandern der zahlreichen, wunderschönen Werkshallen des "Arsenale" - in dem die internationale Schau stattfindet - wird auch das Motto der 52. Kunstbiennale (10. Juni - 21. November) klar: "Mit den Sinnen denken, mit dem Geist fühlen - die Kunst in der Gegenwart". Ja, sie ist sinnlich, intelligent und aufrüttelnd, sie regt zum Nachdenken an, diese Schau.

Jedes Werk spricht für sich allein

Der neue künstlerische Leiter Robert Storr hatte es bereits vorweggenommen: "Jedes Werk wird für sich allein sprechen. Und gemeinsam wird die Wechselwirkung zwischen den Werken - ob diese nun harmonisch oder dissonant ist - die Aufmerksamkeit des Publikums erregen." Auch dies scheint ein neuer Trend in der Gegenwartskunst zu sein: Viele beeindruckende Einzelwerke verschmelzen zu einem Gesamtkunstwerk, das den Besucher mit einem bleibenden Eindruck nach Hause schickt, dem er sich nicht entziehen kann. Isa Genzken hat im Deutschen Pavillon im Park der "Giardini" ebenfalls zahlreiche Skulpturen aus Alltagsgegenständen zu einem Ganzen verwoben, das vor allem die immer zerstörerischer werdende Tourismusbranche anprangert.

Mit dem gleichen Thema befasst sich auch die Marokkanerin Iris Tingitana, die anhand zahlreicher Fotografien das vermeintliche Urlaubsparadies rund um Tanger so darstellt, wie es die Einwohner erleben. Schon seit zehn Jahren seien "die Felder, die Märkte, die einst geschützten Wälder und die historischen Gebäude in den Händen der Veranstalter des Massentourismus", sagt sie.

Eines der wohl eindringlichsten Werke ist eine Wandinstallation aus 3556 Handzeichnungen, auf denen die Amerikanerin Emily Price die Gesichter von im Irak und Afghanistan gefallenen US-Soldaten im Kleinformat darstellt. Im Internet forschte Price zudem auf Seiten von Familienangehörigen nach Charaktereigenschaften jedes Einzelnen, die sie handschriftlich unter dem Porträt verzeichnet. "Er liebte das Leben", ist da zu lesen. Die amerikanische Konzeptkünstlerin Jenny Holzer setzt großformatige Leinwände dagegen, auf die sie Totenscheine getöteter afghanischer Soldaten gezogen hat.

Bedrückendes und Humorvolles

Daneben gibt es Fotos von einem völlig zerbombten Beirut aus dem Jahr 1991 - die denen aus dem Jahr 2007 erschreckend ähneln. Bilder von Maschinengewehren des Typs AK-47, Fotografien von Minenfeldern in Südkorea und Sarajevo, Atompilze und "Explosions" aus Algerien sowie einen Jungen, der in einem Video vor dem ehemaligen Hauptquartier der jugoslawischen Streitkräfte in Belgrad mit einem Totenkopf Fußball spielt. Titel: "Bouncing Skull".

Ästethisch und gleichzeitig dramatisch sind auch die auf mehreren Bildschirmen gezeigten Aufnahmen des Kolumbianers Oscar Munoz, der mit einem breiten Pinsel Gesichter von Lateinamerikanern malt. Munoz verwendet eine Technik mit Wasser, so dass die Zeichnung sich in dem Moment wieder auflöst, in dem sie beendet ist - Metapher für die unzähligen Desaparecidos, die in seinem Heimatland einfach verschwunden sind. Neben den ernsten Themen gibt es aber auch Witziges in der Lagunenstadt, so etwa die Installation aus 51 Neonleuchten des Amerikaners Jason Rhoades. Die Schriftzüge sind allesamt Übersetzungen des Wortes "Vagina" in verschiedene Sprachen - von "Thatch Hatch" bis "Pink Panther". (Von Carola Frentzen, dpa)

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