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Kultur: Axel Lischke: Klarsichtpackung

Gibt es so etwas wie einen skulpturalen Humor? Wenn ja, dann gehört Axel Lischke zu denjenigen, die ihn besitzen.

Gibt es so etwas wie einen skulpturalen Humor? Wenn ja, dann gehört Axel Lischke zu denjenigen, die ihn besitzen. Wie andere Lebensmittel in Frischhaltebeuteln verschließen, so verschweißt der Berliner Künstler Dinge des täglichen Gebrauchs in PVC: Möbel, Stehlampen, Besen, Maler- und Tapezierpinsel, auch schon mal ein komplettes Berliner Zimmer. Seine ästhetisierten Gebrauchsobjekte sind zum Greifen nah und doch ihrem profanen Zweck weit entrückt. Nun hat Lischke seine Arbeitsweise subtiler Transformationsprozesse um eine Variante erweitert: das Gießen in Polyester oder Exponidharz. In der Galerie Rafael Vostell scheinen nostalgische Liebhaberstücke in Eisblöcken gefroren oder von einer vermeintlich glibberigen, gelatineartigen Masse umschlossen zu sein, als gelte es, sie für die Ewigkeit zu konservieren. Bei einigen Objekten erzeugt der Kunststoff einen seltsam surrealen Effekt. Die Porzellankanne - an ihrem Ausguss schwebt noch ein Kaffeetropfen - wird vergrößert und verzerrt, und das identische Paar Emailledosen wirkt windschief, in Größe und Form verschieden.

Nähte und verschweißte Lischke in einer älteren Arbeit transparente Kunststofffolie zu Kissen, Bettdecken oder Matratzen, die er wiederum mit einer Fülle kleinerer Kissen, Federn oder Altkleidern ausstopfte, arrangiert er jetzt Tisch und Stuhl auf einem Spiegel. Das Prinzip des Stuhls im Stuhl, des Tischs im Tisch treibt er dabei mit der so optisch aufgemöbelten Installation auf die Spitze. Zweihundertzwanzig winzige, aus Buchenholz handgesägte und farbig lackierte Spielzeugstühle hat er in seinen transparenten Polyesterstuhl eingeschlossen, zweihundert Puppenstuben-Miniaturtische in den Tisch (22 000 Mark). Der heute 45jährige Schüler von Nam June Paik in Düsseldorf und Shinkishi Tajiri an der HdK Berlin gießt aber nicht nur harmlose Spielzeugfische oder kunterbunte Toilettenartikel in Kulturbeutel (je 6000 Mark). Er bettet auch Würge- und Giftschlangen in Kunststoff (18 000 Mark) die an gigantische Brocken Aal in Aspik erinnern.

Wie in der Abfertigungshalle eines Flughafens präsentiert Lischke zudem einen Koffer auf dem Transportband, der mit Mordinstrumenten gespickt ist: Messer, Pistolen, Handgranaten und Dynamitstangen (22 000 Mark). Erschreckend ist daran allenfalls eines: das ästhetische Potenzial an Schönheit, das man im Formenrepertoire des Waffenarsenals entdeckt. Lischke heiteres Spiel mit gewohnten Wahrnehmungsmustern spekuliert hier auf geheime Ängste und setzt, wie schon bei den Schlangen, zu vordergründig auf Sensationslust. Doch die Gefahr aus dem Koffer ist sofort erkannt, alsbald gebannt und die Munition vom Künstler selbstverständlich längst entschärft.

Lischke baut auf die Idee des Readymades, aber er will die Dinge nicht verfremden, sie nicht rätselhafter und geheimnisvoller machen. Vielmehr geht es ihm darum, das Augenmerk auf die pure Formensprache gefühlsbesetzter Gegenstände lenken. Sie als das bloßstellen, was sie nunmehr sind: skulpturale Kunst- und Schaustücke. Lischke zeigt sie zur Kenntlichkeit entstellt.

Elfi Kreis

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