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Kultur: Bademeister

Keine Angst vor Bob Dylan: Bryan Ferry im Tempodrom

Nach erstaunlich gutem Vorprogramm der dänischen Folksängerin Tina Dico erstrahlt die Bühne in warmem Blau. Jubel brandet durchs bestuhlte Tempodrom wie ein Orkan: Bryan Ferry tänzelt ans Mikrofon. Gut sieht er aus. Wie ein gerissener Kellner in einem dubiosen 60er- Jahre-Tanzschuppen: Entweder du nimmst, was er dir hinknallt, oder du fliegst raus. Natürlich ist Ferry nicht so einer, und die entzückten Fans haben ja längst bezahlt, dürfen bleiben. Dem Alter nach zu schließen sind es überwiegend Fans von früher, die den heute 61-Jährigen schon in den 70ern verehrten, als er noch die exzentrisch glamouröse Popgruppe Roxy Music mit seinem bizarr manieristischen Gesangsstil prägte.

Ferry zieht die Schultern hoch, krümmt sich, flattert rhythmisch mit den Händen an der Hosennaht und singt die alte 60er-Jahre- Mod-Hymne „The In Crowd“. Rasanter Beginn. Schlagzeug, Bass, Saxofon, Keyboarder, zwei Backgroundsängerinnen, eine weitere Dame, die alternierend Tasten oder Bratsche spielt. Und drei Gitarristen, die immer wieder abwechselnd oder gleichzeitig heftig solieren. Einer ist der famose Chris Spedding. „Kiss And Talk“, Ferry beginnt etwas unsicher vorösterlich suchend um die Töne herumzueiern. „When you’re lost in the rain in Juarez and it’s eastertime, too“, interpretiert er Bob Dylan und pustet in die Harmonica. Man muss schon Nerven haben wie Bryan Ferry, um unter dem gewagten Titel „Dylanesque“ ein ganzes Album altmeisterlicher Songs zu verbademeistern.

Auch im Konzert ist das Resultat wenig überraschend: hölzern und polterig. Die Klangwände der riesigen Band scheinen bewusst mächtig arrangiert zu sein, um Ferrys enttäuschend glanzlose und modulationsarme Stimme dahinter zu verstecken. Als Guns N’ Roses 1991 Dylan verprollt hatten, hätte man es da für möglich gehalten, dass „Knockin’ On Heaven’s Door“ noch flacher geklopft werden könnte? Man ist dankbar, dass Ferry nur die Hälfte seines Konzertprogramms mit Dylan-Adaptionen traktiert und immer wieder ein paar hübsche ältere Songs seiner Soloalben seit 1973 untermischt. Großer Enthusiasmus dann zu „Let’s Stick Together“: Gute Rocksongs sind eben unverwüstlich.

H.P. Daniels

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