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Kultur: Bären und Stärke

RÜCKBLENDE Was wurde aus den letzten zehn Siegern?

2011: Nader und Simin

Asghar Farhadis packendes iranisches Familiendrama war klarer Favorit in einem eher schwachen Wettbewerb. Es gab nicht nur Gold, sondern auch Darstellerpeise für das Ensemble. Der Verleih Alamode hatte die Rechte bereits gekauft und freute sich über die Bärenverstärkung. 150 000 Zuschauer nach dem deutschen Start im Juli, das ist viel für einen Arthouse-Film ohne Stars. In der Filmnation Frankreich waren es eine Million, im Iran 1,2 Millionen Zuschauer und weitere 1,2 Millionen per DVD. Inzwischen hat „Nader und Simin“ fast alle namhaften Kritikerpreise und den Golden Globe gewonnen. Für die Oscars ist er zweifach nominiert.

2010: Bal/Honig

Ein Überraschungs-Kassenerfolg. Deutscher Kinostart im September, Semih Kaplanoglus poetisches türkisches Melodram über den Sohn eines Bienenzüchters brachte es auf 132 000 Zuschauer.

2009: Eine Perle Ewigkeit

Der erste peruanische Film, der je im Wettbewerb lief: ein sanft erzähltes Kriegs- und Vergewaltigungsdrama. Regisseurin Claudia Llosa gewinnt als vierte Frau Gold in der Geschichte der Bären. Hat hierzulande wenig geholfen: 32 000 Zuschauer.

2008: Tropa de Elite

Krasse Fehlentscheidung der Jury unter Costa-Gavras, sagten viele. José Padilhas brasilianischer Thriller über eine ElitePolizeitruppe in Rio blieb umstritten, trotz Kultstatus: weltweit zwölf Millionen illegale Downloads schon vor der Berlinale. In Brasilien 2,5 Millionen Kinobesucher, in Deutschland nur 10 000.

2007 Tuyas Hochzeit

Die Chinesinnen kommen! Wang Quan’ans Tragikomödie über eine Frau in der Männergesellschaft der mongolischen Steppe brachte es nach dem Filmstart im August auf knapp 100 000 Zuschauer. Der Regisseur ist seit 2002 („Lunar Eclipse“) Berlinale-Stammgast, 2010 gab’s Silber für „Apart Together“. Diesmal nimmt er mit dem Historiendrama „White Deer Plain“ am Wettbewerb teil. Die Berlinale-Preise, so der Regisseur, hätten ihm „Renommee und Geld von Produzenten eingebracht“. Übrigens: Die grandiosen Landschaftsaufnahmen stammen wie schon bei „Tuyas Hochzeit“ vom deutschen Kameramann Lutz Reitemeier.

2006 Grbavica – Esmas Geheimnis

Noch ein Kriegs- und Vergewaltigungsdrama. Bei der Verleihung sagte Regisseurin Jasmila Žbanik: „Ich hoffe, der Bär ist nicht enttäuscht, wenn er Bosnien sieht.“ Das war er nicht, im Gegenteil, er hat Bosnien gut getan. Mit seiner Hilfe konnte dort ein Gesetz geändert werden, so Žbanik: „Frauen, die im Krieg vergewaltigt worden sind, werden jetzt als zivile Kriegsopfer anerkannt und bekommen monatlich ein wenig Geld. Das war vorher anders: Sie erhielten keinerlei staatliche Unterstützung.“ Es gibt Wichtigeres als Zuschauerzahlen; in Deutschland waren es immerhin 42 000.

2005: U-Carmen

Die bislang umstrittenste Wettbewerbsjury unter Leitung von Roland Emmerich (u. a. mit dem China-Starlet Bai Ling) vergriff sich komplett und zeichnete in einem starken Jahr eine wenig interessante südafrikanische „Carmen“-Adaption aus. Filmstart im Dezember, Besucherzahlen unter der Nachweisgrenze.

2004: Gegen die Wand

War der Durchbruch für Fatih Akin, bescherte dem Bären den größten Kassenerfolg des Jahrzehnts (720 000 Zuschauer) und Hauptdarstellerin Sibel Kekilli reichlich Ruhm sowie grässliche Skandalberichte über ihren früheren Job als Pornodarstellerin. Seitdem zeigt Fatih Akin seine Filme zunächst in Cannes („Auf der anderen Seite“) oder geht wie bei „Soul Kitchen“ ohne Festival an den Start.

2003: In This World

Bescherte der Berlinale einen historischen Moment: Als der Goldbär für Michael Winterbottoms Flüchtlingsdrama über die Odyssee zweier Afghanen bekannt gegeben wurde, demonstrierte am Potsdamer Platz eine halbe Million Menschen gegen den Irakkrieg. Bis zum Filmstart im September verflüchtigte sich die starke Wechselwirkung von Wirklichkeit und Fiktion: nur 18 000 Zuschauer.

2002: „Chihiros Reise ins Zauberland“ / „Bloody Sunday“

Der zauberhafte japanische Animationsfilm wurde mit 230 Millionen Dollar der größte japanische Kassenerfolg aller Zeiten, startete zu Hause schon ein halbes Jahr vor der Berlinale. 413 000 Zuschauer in Deutschland. Paul Greengrass’ IRA-Drama, nach „Im Namen des Vaters“ 1993 der zweite bärenvergoldete IRA-Film – brachte es erst 2004 zu einer klitzekleinen Kinoauswertung. Manchmal muss der Bär sehr tapfer sein. chp

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