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Baran bo Odar.

© dpa

Baran bo Odar: Symmetrie!

Regisseur Baran bo Odar über seine Vorbilder.

Herr Odar, wie schon Ihr Hochschul-Abschlussfilm „Unter der Sonne“ ist „Das letzte Schweigen“ geprägt von der drückenden Hitze des Sommers. Warum?

Die Hitze transportiert am besten, was in den Figuren vorgeht. Sie wandeln beinahe wie Geister durch den Film. Die Köpfe sind gelähmt, aber auch die Emotionen. Gerade die Hundstage haben etwas Erschlagendes. Hitze ist sowieso unangenehmer als Kälte.

Ein Kriminalfilm im brütenden Hochsommer – das sieht man nicht häufig.
Ich wollte das Genre aufbrechen. Also nicht düstere Atmosphäre, Regen und dunkle Farben. Sondern alles warm und idyllisch. Außer am Himmel taucht im ganzen Film kein Blau auf. Das hat bei den Schauspielern durchaus zu Diskussionen geführt, weil sie nicht ständig braune und beige Sachen anziehen wollten.

Spannung stand also nicht Vordergrund?
Ich wollte keinen Standard-Thrillerplot mit dem üblichen Whodunit. Mir ging es hauptsächlich um die Figuren. Ich bin ein großer Fan des koreanischen Kinos. Dort schaffen sie es immer wieder, ein Genre wie den Thriller aufzubrechen und sich auf die Figuren zu konzentrieren.

Der Kriminalfilm ist ein urbanes Genre. Sie entscheiden sich für das Ländliche.
Ja, aber wir wollten kein süd- oder norddeutsches Lokalkolorit. Wir haben in Brandenburg, Thüringen und Bayern gedreht, weil wir die Geschichte unbedingt allgemeindeutsch erzählen wollten.

Eine weitere Gemeinsamkeit Ihrer bisherigen Filme: Sie spielen beide – zumindest teilweise – in den achtziger Jahren.
Die Achtziger sind meine Kindheit. Ich verbinde sie mit einem wahnsinnig positiven Lebensgefühl. Wirtschaftlich war alles super, allen geht’s gut, aber hinter der Fassade ... Überhaupt: Ich liebe Kontraste und Extremgefälle! Man sieht ein Kornfeld in der Sommerabendsonne, aber darin findet eine Vergewaltigung statt. Oder ich beginne eine Szene mit einem Lacher, die dann schrecklich endet: Ein sehr dicker Mann geht nackt zum Baden und entdeckt dabei eine Leiche.

Auffallend auch die Gestaltung Ihrer Bilder: klar komponiert, frontal und häufig auf Mittelachse. Warum?
Weil ich ein Symmetrie-Fanatiker bin! Ein ganz großes Vorbild von mir ist Stanley Kubrick, der auch alles in die Mitte setzt. Durch den Versuch, Ordnung herzustellen, entsteht zumal im Cinemascope-Format etwas extrem Kinohaftes. Wir Filmemacher sind Zauberer. Mal ist die Show sehr bombastisch und lenkt ab vom fehlenden Inhalt. Mal besteht sie nur aus einer schwarzen Bühne und einem Stuhl. Und mal ist sie subtil und bietet trotzdem ein schönes Feuerwerk. Ich sehe mich in dieser Mitte: ein bisschen Feuerwerk, aber nicht zu viel.

Das Gespräch führte Julian Hanich.

BARAN BO ODAR, 1978 in der Schweiz geboren, studierte an der Münchner Hochschule für Film und Fernsehen. 2006 drehte er seinen ersten Langspielfilm „Unter der Sonne“.

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