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Szenen einer Ehe: Hanna-Elisabeth Müller als Gräfin Almaviva und Andrè Schuen als ihr Graf

© Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Barrie Kosky inszeniert in Wien: Lust und Machtverlust

Philippe Jordan dirigiert Mozarts „Le nozze di Figaro“ feinfühlig an der Wiener Staatsoper, Barrie Kosky erzählt die Geschichte packend, mit einem sehr jungen Ensemble.

Von Laura Luckenbach

Barrie Kosky, der langjährige Intendant der Komischen Oper Berlin, ist derzeit an der Wiener Staatsoper mit der Inszenierung aller drei Da Ponte-Opern von Wolfgang Amadeus Mozart beauftragt, als „Don Giovanni“, „Così fan tutte“ und „Le nozze di Figaro“. Jetzt feierte der „Figaro“ Premiere, die in Wien meistgespielte Oper des Komponisten . 2005 hatte Kosky das Werk bereits in Berlin szenisch interpretiert.  

In seiner neuen Inszenierung rückt Barrie Kosky nun vor allem Susanna in den Fokus. Sie bringt bei ihm weit mehr Schlauheit und Raffinesse mit, als man zunächst von einer Kammerzofe erwarten mag. Denn sie durchschaut die Absichten des Grafen und schmiedet gemeinsam mit ihrem Liebsten Figaro und der Gräfin Rachepläne.

Kosky hat sich bewusst ein sehr junges Ensemble gewünscht. In ihm spiegelt sich ein Mikrokosmos der Gesellschaft wider: Andrè Schuen als Graf definiert sich weniger über seinen Adelstitel als über sein unbeschwertes Leben. Da erscheint es regelrecht naheliegend, dass sich sein Diener Figaro sich aufgrund seiner ehrlichen Arbeit als bedeutend schlauer bezeichnet.

Das Komödiantische gleitet nie ins Lächerliche ab

Der Schwung und Witz in Mozarts Oper entsteht vor allem durch die Beziehungen der anderen Figuren zum Grafen und dessen finaler Erniedrigung. Die gestaltet Kosky in enger Zusammenarbeit mit dem Ensemble sehr feinfühlig aus, ohne dabei das Komödiantische ins Lächerliche abgleiten zu lassen.

Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft: Andrè Schuen als Graf Almaviva
Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft: Andrè Schuen als Graf Almaviva

© Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Die Sänger:innen harmonieren sowohl darstellerisch als auch sängerisch perfekt miteinander. Philippe Jordan in der Doppelrolle als Dirigent und Rezitzativ-Cembalist unterstützt das Bühnengeschehen bestens aus dem Orchestergraben heraus. Er dirigiert das Orchester der Wiener Staatsoper sensibel und bietet so den Gesangsstimmen eine wunderbare Grundlage. Die vielschichtigen, großen Finali gestaltet Jordan differenziert und dennoch in großen Spannungsbögen. 

Ying Fang kann am Premierenabend krankheitsbedingt nur spielen, die Partie wird von Maria Nazarova aus dem Orchestergraben gesungen. Zusammen mit Peter Kellner als Figaro interagiert sie im heiteren Spiel der Rachepläne aber souverän, während Hanna-Elisabeth Müller als Gräfin und Andrè Schuen vor allem vokal die ganze Bandbreite der ehelichen Emotionen ausschöpfen.

In seiner mittlerweile dritten Figaro-Inszenierung stellt Barrie Kosky das Verhältnis der Handlungsräume in den Mittelpunkt, vom zukünftigen Schlafzimmer Susannas und Figaros in einem Durchgangsraum über die opulent barock geschmückten Salons von Graf und Gräfin bis hin zum Garten, der nur aus einer schrägen Ebene besteht.

Hier hat dann niemand mehr die Macht: Aus Bodenluken treten die Sänger:innen auf und können sich unbemerkt wieder verstecken, während das Publikum aus der Vogelperspektive das Versteckspiel bereits durchschaut. Am Ende bittet der Graf um Vergebung - die ihm zumindest das Publikum aufgrund des scharfsinnigen Regiekonzeptes und der erstklassigen musikalischen Umsetzung gerne begeistert gewährt.

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