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Kultur: Bauen Sie ein Imperium Herr Krens?

TAGESSPIEGEL: Herr Krens, was ist Ihre Vorstellung vom zeitgemäßen Museum?KRENS: Das Museum ist eine Idee des 18.

TAGESSPIEGEL: Herr Krens, was ist Ihre Vorstellung vom zeitgemäßen Museum?

KRENS: Das Museum ist eine Idee des 18.Jahrhunderts, eingepaßt in eine Schachtel des 19.Jahrhunderts, wobei die "Idee" die Enzyklopädie ist und die "Schachtel" der erweiterte Palast.Dazu gehört die entsprechende Vorstellung des Museums als einer Agentur gesellschaftlicher und politischer Macht.Diese Aufgaben sind nicht mehr so bedeutend, wie sie einmal waren.

TAGESSPIEGEL: Warum zeigen Sie eine Ausstellung von Motorrädern?

KRENS: Kunst und Kultur selbst sind immer mit Technologie verwoben gewesen, man nehme nur die technisch fortgeschrittene Malerei der Renaissance.Ich glaube, daß Museen diese Entwicklung aufmerksam beachten müssen, und sie müssen auch ihr potentielles Publikum im Auge behalten, einfach weil niemand anderes da ist, um Museen zu besuchen.Meine Strategie ist also nicht im mindesten, aus dem Guggenheim-Museum ein Technik- oder ein Wissenschaftsmuseum zu machen.Jedoch glaube ich, daß beispielsweise das Motorrad ein bedeutsames historisches Thema darstellt, dessen Geschichte sich mit der Ära der Technologie deckt - und Technik und Technologie wiederum sind die vorherrschenden Beschäftigungen unserer Zeit.

TAGESSPIEGEL: Von seiner Sammlung her ist das Guggenheim-Museum jedoch ein Museum der europäischen, klassischen Moderne.Warum erweitern Sie die Bandbreite Ihrer Ausstellungen derart?

KRENS: Weil es im Einklang steht mit der Vision, die das Haus von Anfang an von sich selber gehabt hat.Auf wen hört man also bei der Frage, was die Institution Museum tun und lassen soll? Als ich vor zehn Jahre ans Guggenheim kam, erhielt ich den Auftrag, die Institution Museum im Hinblick auf das 21.Jahrhundert zu interpretieren.

TAGESSPIEGEL: Wann immer Sie ein Thema interessant genug finden für eine Ausstellung, machen Sie sie also?

KRENS: Ja, so ungefähr.

TAGESSPIEGEL: Wird das Guggenheim zu einem kulturhistorischen Museum im breitesten Sinne?

KRENS: Was machen Museen im Grunde? Sie sind Geschichtenerzähler.Kunstwerke und ganz allgemein Artefakte erzählen uns viele Geschichten.Das Museum versucht, diese Geschichten in den Kontext der allgemeinen Historie zu integrieren.

TAGESSPIEGEL: Wo bleibt das alte Kunstmuseum Guggenheim?

KRENS: Für mich macht es keinen Sinn, uns mit Mondrian zu beschäftigen, nur weil es das ist, was das Museum immer gemacht hat.Das wäre keine sehr gescheite Strategie, um das Museum für die Zukunft zu positionieren.Wir haben sehr präzise Vorstellungen von dem, was Kultur ist, und die wollen wir vermitteln.Bevor ich hierher kam, hatte das Museum ein Publikum von 300 000 Besuchern; jetzt haben wir drei Millionen im Jahr.Für mich zählt, daß wir jetzt zu einem wesentlich größeren Publikum sprechen.

TAGESSPIEGEL: Ist die Besucherzahl das wichtigste Ziel des Museums?

KRENS: Es ist nicht das wichtigste Ziel, aber es ist ein Ziel.

TAGESSPIEGEL: Welche Rolle spielt die Sammlung des Museums?

KRENS: Wir haben eine großartige Sammlung, aber wir sind keine wohlhabende Institution.Vielleicht - und hoffentlich - werden wir einmal wohlhabend, und ich möchte Spender anregen, ebenso Kapital zu stiften wie Kunstwerke.

TAGESSPIEGEL: Darin sind Sie unlängst sehr erfolgreich gewesen, wie die Zuwendung von immerhin 50 Millionen Dollar eines einzelnen Spenders beweist...

KRENS: ...genau das unterstreicht ja meine Worte.Wir sind jüngst erfolgreich gewesen, nicht weil wir bescheiden sind in unserer Zielsetzung, sondern weil wir eine Vision gezeigt haben.Tun wir unsere Arbeit, weil wir Spenden sammeln, Kunstwerke gestiftet bekommen, unsere Besucherzahl vergrößern wollen? Nein, weder für das eine noch das andere noch für das dritte.Aber wir behalten all das im Auge.

TAGESSPIEGEL: Was ist Ihre "Mission"?

KRENS: Unsere gesamte Arbeit dreht sich um die Vertiefung von Verständnis und Zusammenarbeit.Wir erfüllen eine zutiefst friedliche und friedensstiftende Aufgabe.Wir befördern die Wahrnehmung dessen, was Menschen zusammenhält, nicht, was sie auseinandertreibt.Das jedenfalls ist die größtmögliche Aufgabe für die Institution Museum.

TAGESSPIEGEL: Die hohen Ziele beiseite gelassen, präsentiert sich das Museum im Alltag als ein buntes Angebot.

KRENS: Ja, in gewisser Weise sind wir ein Themenpark.Wir sind in einer Branche tätig, wo wir mit dem Kino, mit Video, mit Sportereignissen im Wettbewerb stehen, mit dem Tourismus, mit allen Arten von Freizeitbeschäftigung.Und dem entspricht unser Publikum.Es erwartet erstens eine großartige Architektur, zweitens eine herausragende permanente Sammlung und drittens besondere Ausstellungen.Zudem suchen die Leute Einkaufsmöglichkeiten und gastronomische Versorgung.Sie wollen ihre Familien mitbringen, denn in der Regel fällt ein Besuch bei uns in die Urlaubszeit.Museen sind ein Teil der Tourismusbranche.

TAGESSPIEGEL: Sie selbst bieten ja mittlerweile mehrere Anlaufstellen für reisende Kunstfreunde, in New York, Venedig, Bilbao und Berlin.Wird sich das "Guggenheim-Imperium" noch vergrößern?

KRENS: "Imperium", das klingt so, als ob wir die ganze Welt erobern wollten! Bedenken Sie, wieviele Museen es auf der Welt gibt, es müssen Zehntausende sein - und wir sind gerade einmal fünf! Und das nennen die Leute ein "Imperium"? Ja, wir haben ein "high profile".Ja, wir wenden uns an ein sehr zahlreiches Publikum.Aber mich ärgert diese Ausdrucksweise.

TAGESSPIEGEL: Hat sich Bilbao bislang als Erfolg erwiesen, und gibt es mögliche Nachfolger oder auch Nachahmer?

KRENS: Bilbao ist ein erstaunliches Phänomen.Für das erste Jahr des Betriebes erwarten wir zwei Millionen Besucher; kalkuliert war das Museum mit 400 000 Besuchern im Jahr.Bürgermeister und Investoren aus jeder nur denkbaren Stadt melden sich bei mir an und wünschen sich ein Guggenheim, nur habe ich nicht das Geld, ein neues Museum zu bauen.Noch ist niemand aufgetaucht, der die 200 bis 300 Millionen Dollar zur Hand hätte, die ein solches Projekt insgesamt verschlingt.Unser "Imperium" oder was immer es ist, ist also relativ bescheiden.

TAGESSPIEGEL: Sind Sie denn mit der vergleichsweise kleinen Berliner Filiale zufrieden?

KRENS: Ich mag das Berliner Projekt gerade wegen seiner geringen Größe.Es erfüllt genau meine Erwartungen.

TAGESSPIEGEL: Es gab aber Pläne für eine wesentlich größere Berliner Einrichtung?

KRENS: Die Idee stammte von Richard Holbrooke, dem damaligen US-Botschafter in Deutschland.Er suchte nach etwas Großem für die Zeit nach dem Abzug der amerikanischen Truppen.Aber das Geld war nicht da, denn nach der Wende wurden alle Mittel gebraucht, um die Institutionen im Ostteil der Stadt zu sanieren.Und vor allem gibt es bereits großartige Einrichtungen in Berlin.Innerhalb dieser Situation eine kleine Einrichtung zu schaffen, wie die Deutsche Guggenheim Berlin, schien uns genau das Richtige zu sein.Das erlaubt uns einen sehr positiven Einfluß auf die Berliner Szene.

TAGESSPIEGEL: Könnten Sie sich vorstellen, nach dem Guggenheim-Museum einmal eine andere Institution zu leiten?

KRENS: Mein Ziel heißt Kommunikation.Ich nenne es "Stimme".Mir geht es darum, mit einer deutlichen und klaren "Stimme" über Kultur zu sprechen, nicht mit einer beherrschenden, wohl aber mit einer kräftigen "Stimme", so daß sie gehört wird."Stimme" bedeutet, eine kulturelle Perspektive zu haben, die von Bedeutung ist, die auf bestimmten Standards von der Qualität beruht.Was ich in diesem Sinne "Stimme" nenne, ist das höchste Ziel einer jeden kulturellen Institution.Nein, ich kann mir nicht vorstellen, an eine andere Institution zu wechseln.

TAGESSPIEGEL: Könnte Berlin Sie reizen?

KRENS: Berlins kulturelle Rolle im kommenden Jahrzehnt wird sicherlich sehr spannend.Für mich ist es besser, eine kleine Einrichtung am Ort zu haben, von der aus ich die Entwicklung betrachten kann, als über den Atlantik hinüberschauen zu müssen.Ich könnte mir vorstellen, in Berlin eine größere Rolle zu spielen, aber das hängt vom richtigen Zeitpunkt, von den richtigen Partnern und von den richtigen Leuten ab.

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