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Baustellenbesichtigung: Oper im Staub

Die Intendantin der Deutschen Oper Berlin Kirsten Harms will ein innovatives, energiesparendes Lichtkonzept realisieren und gleichzeitig die Ideen des Architekten Fritz Bornemann verwirklichen. Eine Baustellenbesichtigung von Frederik Hanssen.

Es gibt Leute, die schauen in der Oper auf die Bühne, erfreuen sich an einer gelungenen Aufführung und wünschen sich für die Pause drei Dinge: Platz zum Flanieren, einen Austausch über das Gesehene und Gehörte sowie den problemlosen Zugang zu einem Getränk.

Kirsten Harms denkt anders. Die Intendantin der Deutschen Oper Berlin ist Ästhetin durch und durch. Darum reicht es ihr nicht, dass es in ihrem Haus an der Bismarckstraße ausreichend Bewegungsplatz in den Foyers gibt, dass die Atmosphäre in der weiten Halle und auf den schwebenden Treppen gesprächsanregend ist, und dass zudem durstige Kehlen an diversen Bars Labung finden. Nein, sie will mehr, nämlich ein innovatives, energiesparendes Lichtkonzept realisieren und gleichzeitig die ursprünglichen Ideen des Architekten Fritz Bornemann verwirklichen, für die es 1961 nach ihren Worten noch gar nicht die richtigen Materialien gab. Darum lässt sie jetzt die Pausenhallen neu inszenieren – maßlos stolz, das nötige Geld zusammengekratzt zu haben, um aus der verwohnten Deutschen Oper endlich ein strahlendes Haus machen zu können.

Dafür, findet Harms, muss das geneigte Publikum eben auch mal hinnehmen, dass es keine Foyers zum Lustwandeln, Diskutieren und Konsumieren mehr hat. Bis zum 29. Oktober ist die Deutsche Oper eine Baustelle. Am Sonntag bei der umjubelten Saisoneröffnung mit Debussys „Pelléas et Mélisande“ waren die gewohnten Wege durch Sackberge und tausendarmige Gerüste blockiert. Wer will, dass es schön wird, muss eben leiden.

Ist dieser Spielzeitauftakt ein guter Zeitpunkt für die Herzensmaßnahme der stilbewussten Intendantin? Am Sonntag machen sich Daniel Barenboim, Jürgen Flimm und die Staatsopern-Mannschaft von Mitte per Schiff auf nach Charlottenburg, um ihre Ausweichspielstätte im Schillertheater einzuweihen. Ab dem 3. Oktober startet dann dort ein massiver Premierenreigen, der jede Menge Aufmerksamkeit binden wird. Da sieht es gar nicht so gut aus, wenn ein paar hundert Meter weiter Handwerker das Sagen haben, Staub durch alle Ritzen dringt.

Die Deutsche Oper als erstes Haus in der Bismarckstraße zu präsentieren, als perfekt funktionierender Kultur-Leuchtturm, während sich drüben im Schillertheater der Betrieb erst mal einspielen muss, das wäre eine pragmatische Strategie gewesen. Kirsten Harms jedoch, das hat ihre Amtszeit gezeigt, war noch nie an kurzfristigen Erfolgen interessiert.

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