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Kultur: Bei Hempels unterm Bett

Ein Stadttheatercoup: Adriana Altaras inszeniert Johann Strauss’ „Die Fledermaus“ in Potsdam

Bei „Deutschland sucht den Superintendanten“ würde Uwe Eric Laufenberg wohl kaum sehr weit kommen. Er kann zwar fast alles, ist studierter Schauspieler, vielseitiger Regisseur und erfolgreicher Theaterleiter; aber singen, nein, das kann er nun wirklich nicht. Dennoch gibt er in der Neuinszenierung von Johann Strauss’ Operette „Die Fledermaus“ an seinem Potsdamer Hans-Otto-Theater nun den Gabriel von Eisenstein. Eine ziemlich mutige Selbstbesetzung mit großem Peinlichkeitsrisiko. Wenn der Chef ruft „Lasst mich den Löwen auch noch spielen“, warten alle nur darauf, dass er sich blamiert.

Tut er aber nicht. Als das Premierenpublikum am Sonnabend das „Fledermaus“-Ensemble im neuen Theaterbau an der Schiffbauergasse feiert, darf auch Uwe Eric Laufenberg erhobenen Hauptes an die Rampe treten. Ihm und seinem Team ist ein echter Coup de Stadtthéatre gelungen. Eine jener kreativen Kräftebündelungen, die nur in der sogenannten Provinz möglich sind.

Potsdam hat nur ein Sprechtheater, will aber auch Operette anbieten, und zwar gleich die ganz große Nummer, mit Prunkausstattung und Riesenensemble. Also holt man sich das Orchester aus Brandenburg an der Havel mit seinem formidablen Chefdirigenten Michael Helmrath dazu, engagiert junge Tänzerinnen aus der örtlichen Ballettschule, überredet den Potsdamer Kammerchor zur leichten Muse, kauft einen Star aus Berlin ein und zwei Profis für die heiklen Gesangspartien und füllt alle übrigen Rollen mit hauseigenen Schauspielern auf. Und mit etwas Glück hat man eine Regisseurin wie Adriana Altaras, die aus dem zusammengewürfelten Haufen dann ein Energiebündel macht.

Altaras bringt den Operettenklassiker buchstabengetreu auf die Bühne, sogar am Happy End wird nicht gerüttelt, wenn Rosalinde ihrem Mann verzeiht, weil er sie ja beim Maskenball schließlich nur mit ihr selber betrügen wollte – und doch wirken die Dialoge wie neu. Vor allem der erste Akt hat das Tempo, den rasanten Witz einer Feydeau-Komödie. Als Rentier Eisenstein schiebt Laufenberg seinen Schmerbauch wunderbar selbstgefällig durch die Potsdamer Villa mit Blick aufs Schloss Babelsberg (Ausstattung: Yashi Tabassomi), lässt sich von seinem Kumpel Dr. Falke (Robert Putzinger) nur zu gerne überreden, bei der Party des Prinzen Orlowsky den Ballettratten hinterherzusteigen, und merkt natürlich überhaupt nicht, dass der Verehrer seiner Frau längst unterm Bett den Abgang des Hausherrn erwartet. John Heuzenroeder hat den perfekten Knödeltenor für diesen Alfred und treibt Dagmar Manzel damit schnell in die Kuschelecke.

Überhaupt: Dagmar Manzel! Die spröde Schöne vom Deutschen Theater ist auf dem Weg zur ganz großen Sängerdarstellerin. Seit Offenbachs „Großherzogin“ an ihrem Stammhaus und „Sweeney Todd“ an der Komischen Oper hat sie stimmtechnisch noch einmal einen enormen Sprung gemacht, meistert selbst die heikle Rosalinde-Arie im zweiten Akt mit Bravour. Und spielt die verschlagene Neureichengattin einfach umwerfend. Was für ein Repertoire an komischen Verzweiflungsgesten, wenn die Männer um sie herum verrückt spielen, was für eine Aura des Nahbaren, wenn sie die Schwanzfixierung der Kerle zu ihrem Vorteil ausnutzen will.

Allerdings: Wenn Manzel nicht auf der Bühne ist, hängt der Spannungsbogen schon mal durch, am Beginn der Ballszene beispielsweise, denn der (auch vokal) schrille Orlowsky des Philipp Mauritz bleibt allem androgynen Gezappel zum Trotz letztlich doch ein armes Würstchen.

Eine grandseigneurale Fallhöhe gibt dagegen Helmuth G. Fritzsch dem verknöcherter Gefängnisdirektor Frank, der im Angesicht von Dagmar Manzels falscher Ungarin ebenso zum hoppelnden Fohlen schrumpft wie all die anderen SocietyHengste. Rührend Katrina Krumpanes Adele auf ihrem Weg von der Birkenstock-Landpomeranze zum aufglühenden Partysternchen, mutig die tagesaktuellen Potsdamer Pointen, die Jockel Tschiersch als Gerichtsdiener Frosch in den ausverkauften Saal grantelt.

Natürlich bleibt bei diesem Geselligkeitsabend manches ganz schön schräg – doch gerade im Vergleich zum neuen Disney-Musical am Potsdamer Platz wird die eigene Qualität solch handgemachten Stadttheater-Entertainments deutlich. Die „Schöne und das Biest“ ist wie Coca-Cola: Überall auf der Welt wird derselbe Geschmack garantiert. Eine Produktion wie die „Fledermaus“ dagegen birgt dasselbe Risiko wie ein Winzersekt, bei dem man vorher nie wissen kann, ob ihm tatsächlich auch die Sonne lacht. Der „Schiffbauer Gassenhauer“, Cuvée 2007, halbtrocken, ist ein prickelndes Vergnügen geworden.

Wieder am 16., 18., 21. März sowie 27. und 29. April.

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