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Kultur: Berlin gibt NS-Raubkunst an Erben zurück

Restitution zweier Bilder von Schmidt-Rottluff

Nach zehnjährigem Tauziehen gibt das Land Berlin zwei wertvolle expressionistische Gemälde an den Erben eines von den Nazis ermordeten Kunstsammlers zurück. Dabei handelt es sich um zwei Gemälde des Brücke-Malers Karl SchmidtRottluff, um „Gutshof in Dangast“ von 1910, auf dem der Künstler in kräftigen Farben mit viel Rot sein Urlaubsdomizil am der Nordsee porträtierte, und das zehn Jahre später entstandene „Selbstbildnis“. Ihr gemeinsamer Wert wird auf drei Millionen Euro geschätzt. Sie befinden sich als Leihgabe des Landes in der Obhut der Neuen Nationalgalerie, die allerdings gegenwärtig ausschließlich ihre Nachkriegskunst zeigt und deshalb die klassische Moderne ins Depot verbannt hat.

Ein Sprecher der Berliner Kulturverwaltung erklärte, das Land werde dem Votum der sogenannten Limbach-Kommission zur Rückgabe der Bilder folgen. Die Kommission versucht seit 2003, in besonders schwierigen Fällen von NS-Raubkunst zu vermitteln und Meinungsverschiedenheiten zwischen heutigen Besitzern und früheren Eigentümern von Kulturgütern zu klären.

Vor genau fünf Jahren hatte die Restitution des Kirchner-Bildes „Berliner Straßenszene“ von 1913, das sich bis dahin im Berliner Brücke-Museum befand, für hitzige Diskussionen gesorgt. Damals war das Gemälde nach seiner Rückgabe an die Erben sofort in den Handel weitergereicht worden und dann via Auktion in ein New Yorker Museum gelangt.

Auch dem jetzigen Fall geht eine komplizierte Auseinandersetzung vorweg: Der Alleinerbe des jüdischen Kunstsammlers und Textilfabrikanten Robert Graetz (1878 – 1945), der in Argentinien lebende Roberto Graetz, hatte sich zehn Jahre lang um die Bilder bemüht. Robert Graetz war 1942 von den Nazis deportiert und 1945 ermordet worden. Die Beratende Kommission für die Rückgabe von NS-Raubgut empfahl nun die Rückgabe. „Aufgrund der historischen Gesamtsituation, der Verfolgung von Robert Graetz und mangels konkreter gegenteiliger Belege ist zu vermuten, dass die beiden Gemälde NS-verfolgungsbedingt verlorengegangen sind und deshalb zurückgegeben werden sollten“, so die Kommission unter Vorsitz von Ex-Verfassungsgerichtspräsidentin Jutta Limbach.

Die Stadt will jetzt zusammen mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Gespräche mit dem Erben aufnehmen. Dabei geht es um die Frage, ob und unter welchen Bedingungen die Bilder in der Nationalgalerie bleiben können. Berlin hatte die Rückgabe lange abgelehnt, weil es nach Ansicht des Landes keine ausreichenden Beweise für einen Raub durch die Nazis gab. Nach Ansicht der Kommission ist es „gut belegt, wenn auch nicht sicher bewiesen“, dass die Bilder bis mindestens 1938 im Besitz von Robert Graetz waren. 1953 tauchten sie in einer Berliner Galerie auf und wurden zu einem auffallend niedrigen Preis von 3500 Mark vom Land Berlin gekauft. Trotz umfangreicher Recherchen sei es nicht möglich gewesen, das Schicksal der beiden Werke von der NS-Zeit bis 1953 zu klären, so die Kommission. dpa/Tsp

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