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© Davids

Berlin: Revue passieren lassen

Wie Berndt Schmidt, der neue Chef des Hauses, den Friedrichstadtpalast aus der Krise führen will. Der Etat weist nach dem Einbruch der Besucherzahlen in diesem Jahr ein Minus von mehr als vier Millionen Euro auf.

Sein Begrüßungsgeld beträgt 600.000 Euro. Allerdings nur auf dem Papier: Um diese Summe nämlich wollte der Senat im Doppelhaushalt 2008/09 eigentlich die Subvention für den Friedrichstadtpalast absenken. Das Abgeordnetenhaus aber entschied am 6. Dezember, das Revuetheater von weiteren Kürzungen zu verschonen und den jährlichen Zuschuss von 6,1 Millionen Euro fortzuschreiben. Damit verschaffen die Parlamentarier Berndt Schmidt, dem neuen Chef des Hauses, erst einmal etwas Luft für seinen Start. Der gestaltet sich ohnehin schwierig genug, weist der Etat des Friedrichstadtpalastes nach einem Einbruch der Besucherzahlen für 2007 doch ein Minus von mehr als vier Millionen Euro auf.

Wobei das scheinbar so desaströse Ergebnis immer noch einer Auslastung von 70 Prozent entspricht – ein Ergebnis, von dem beispielsweise die Komische Oper nur träumen kann. Ähnlich wie Andreas Homoki im Musiktheater in der Behrenstraße hatte Schmidts Vorgänger Thomas Münstermann beim Friedrichstadtpalast einen ästhetischen Turnaround probiert. Was in beiden Fällen zu einem Fluchtreflex bei der Stammklientel führte. Doch während die Politik der Komischen Oper über eine ziemlich lange Durststrecke die Stange hielt, bis neue Publikumsschichten gewonnen und bei einer Kritikerumfrage der Ehrentitel „Opernhaus des Jahres“ errungen waren, zeigten die Verantwortlichen beim Friedrichstadtpalast keine Geduld: Von einem Tag auf den anderen wurde die Führungsspitze ausgewechselt. Ebenso wie der erst vor drei Jahren aus Osnabrück angeworbene Münstermann musste auch Verwaltungschef Guido Herrmann gehen.

Mit Berndt Schmidt leitet nun seit dem 1. November erstmals ein Kulturmanager alleine das 1900-Plätze-Haus. Begonnen hat der promovierte Betriebswirt seine Karriere 2002 beim Musical „Ludwig“ im bayerischen Füssen, zuletzt war er „Regionalgeschäftsführer Süd“ der „Stage Entertainment“ und stand den beiden Stuttgarter Musical-Bühnen vor.

Der smarte 43-Jährige ist bekennender Revuefan – und ein professioneller Pragmatiker. Über die aktuelle Weihnachtsrevue sagt er: „Mein Vorteil ist, dass ich mich hier nicht selber verwirklichen will, sondern dass ich für unsere Gäste spiele.“ Darum gibt es das, was die Leute sehen wollen: eine Berliner Göre zum Beispiel, die ganz heutig redet, in ihrem hellblauen Matrosenkleidchen aber aussieht wie einem Fünfziger-Jahre-Bilderbuch entsprungen. Auf Europas größter Showbühne darf sie erst länglich ihren Wunschzettel vorlesen, bevor sie in die Zentrale des Weihnachtsmannes entschwebt, wo eine Mrs. Santa Claus regiert, die aussieht wie Dame Edna. Der erste Akt kulminiert in einem Outing des Oberengels: Ja, seit er es einmal getan habe, sei es wie eine Sucht und er müsse es immer wieder tun: sich die Beine rasieren.

Dass es auch Leute gibt, die nach solchen Scherzen auf die grandiose Girlreihe im zweiten Akt verzichten und lieber das Weite suchen, akzeptiert Berndt Schmidt. Er will ja nicht das Genre neu erfinden, sondern ganz schlicht die Bude wieder richtig voll bekommen. Und zwar schnell: Sein Vertrag läuft nämlich zunächst nur zwei Jahre. Darum will er eine Doppelstrategie verfolgen: zum einen „den Stolz auf das Haus streicheln“, für gute Stimmung unter den 295 Mitarbeitern sorgen, die hier „unheimlich hart und mit viel Idealismus“ arbeiten. Zum anderen interne Strukturen verbessern, vorhandenes Personal effektiver einsetzen, wenn nötig auch Stellen streichen oder feste Arbeitsverhältnisse in befristete umwandeln – um Geld freizubekommen für Marketing und Werbung. Denn der Verweis seiner Vorgänger auf die Krise beim Bustourismus nennt er eine „Ausrede“: Mehr als 20 Prozent des Umsatzes habe der nie ausgemacht. Darum müsse der Friedrichstadtpalast die Individualtouristen gleich bei der Ankunft in Berlin ansprechen, an Bahnhöfen, Flughäfen und Einfallstraßen präsent sein. Was leider nicht gerade billig zu haben ist.

Die Shows selber wünscht sich Schmidt künftig als straffe Nummernrevuen mit Sachen zum Lachen, Evergreens zum Wiedererkennen und ohne viel Text („Ich bin ja kein Musical-Haus“). Münstermanns Produktion von „Rhythmus Berlin“ wird entsorgt, dessen „Glanzlichter“ dagegen werden ab 25. Januar wieder zu sehen sein, mit 40 Prozent neuen Nummern und vor allem mit Sabine Hettlich, die beim Friedrichstadtpalast ihr Handwerk gelernt hat, bevor sie im Pariser Lido zum Star wurde. Wen er mit dem Programm ansprechen will, weiß Berndt Schmidt ganz genau: „Ich fühle mich in der Zielgruppe vierzig plus sehr wohl.“

www.friedrichstadtpalast.de

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