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Tuan Yuan

© dpa

Berlinale Eröffnungsfilm: Eat Drink Men Woman

Eine Frau, zwei Männer: Wang Quan’ans Eröffnungsfilm "Tuan Yuan" erzählt von der ewigen Liebe.

Das erste Bild: Schanghais spacige Skyline, im Dunst verschwommen. Und davor, ganz klein, ganz unten, die letzten traditionellen Häuser, bald werden auch sie Hochhäusern weichen. Apartmenthäusern wie jenem, in dem die 82-jährige Yu-E (Lisa Lu) sich später mühsam die Treppen hochgequält und dann traurig aus dem Fenster blickt. „Ein Blick auf den Fluss, das ist den Kaufpreis doch wert“, versucht der kaum jüngere Liu Yangsheng (Ling Feng) sie zu trösten. „Aber sie bauen da noch eine Mauer hin“, ist die bittere Antwort. Es folgt eine Schimpftirade auf Stadtentwickler und Investoren.

Das Alte verschwindet, das Neue bleibt fremd: Darum geht es in Wang Quan’ans schönem, kleinen Film über eine Dreiecksliebe im Alter. Immer wieder sieht man die Straßen im alten Viertel Schanghais, das Treiben auf dem Fischmarkt, und die Kamera von Lutz Reitemeier hat genug Zeit, geduldig zu warten, bis ein Hemd aufgehängt ist, ganz oben auf der Leine. Ausgiebig wird eingekauft auf dem Markt, lange wird gekocht in der Gemeinschaftsküche und immer wird gegessen, unzählige sorgfältig zubereitete Speisen – kein Film, in den man hungrig gehen sollte. „Sprich weniger. Iss mehr“, heißt es einmal. Gutes Motto.

Zeit, das ist das Generalthema in diesem Film über eine alte Liebe, die nach Jahrzehnten wieder zusammenfindet. Sechzig Jahre waren sie getrennt, der Taiwanese Liu, der als Kuomintang-Soldat 1949 Shanghai fluchtartig verlassen musste, und die Festlandchinesin Yu-E, die längst geheiratet hat und glückliche Ehefrau, Mutter und Großmutter ist. Nun hat sie plötzlich zwei reizende alte Kavaliere, die sich nach Kräften um sie bemühen, so wortkarg, wie sie eben sind, so höflich, dass sie fast bereit wären, zugunsten des anderen zu verzichten.

Nur ab und zu brechen, unter Einfluss von Alkohol, Emotionen durch, in langen, arienartigen Monologen, die Wang Quan’an in kammerspielartigen Bildern eingefangen hat: Zweiergruppen, Dreiergruppen, Familiengruppen, wie auf einer Bühne. Und ja, gesungen wird auch, allein, zu zweit, zu dritt, und als Liu am Ende, zum Abschied, sein Lied vom leichten Regen anstimmen will, da bricht ein Sturzregen los, über die gedeckte Tafel. Sie hatten sich vorher schon nicht einigen können, wie denn das Wetter gewesen sei an jenem verhängnisvollen Abschiedstag vor sechzig Jahren. Nun stehen sie noch einmal am Pier, und der zweite Abschied ist fast noch schlimmer.

Gut vorstellbar, dass „Tuan Yuan“ in China ein Politikum ist, angesichts des ungeklärten Status der Inselrepublik Taiwan und der Sehnsucht, die aus den Kuomintang-Veteranen herausbricht, als sie zum ersten Mal nach Jahrzehnten wieder nach Schanghai dürfen. Die beiden alten Herren, die so komisch wie hartnäckig um Yu-E konkurrieren, kämpften auf unterschiedlichen Seiten und werden Freunde. Zärtlicher hat eine Wiedervereinigung selten stattgefunden.

Um aus „Tuan Yuan“ allerdings einen Festival-Eröffnungsfilm zu machen, muss man schon die offensichtlichen Gründe bemühen: Sicher, Wang Quan’an hatte vor drei Jahren mit „Tuyas Hochzeit“ überraschend den Goldenen Bären gewonnen. China ist im Kommen. Und in Berlin wie in China/Taiwan wurden Familien jahrzehntelang auseinandergerissen.

Und doch ist der Eröffnungsabend ein Programmplatz, der diesem Film Unrecht tut. „Tuan Yuan“ wäre ein sehr schöner Forums-, auch ein passabler Wettbewerbsfilm gewesen. Als Eröffnungsfilm, wenn am nächsten Tag „The Ghost Writer“, am übernächsten „Shutter Island“ laufen, erscheint die Wahl einigermaßen befremdlich. Das neue China, das sich auf dem Weltkinomarkt gerade aggressiv zu behaupten versucht – man denke nur an die Diskussionen um „Avatar“ –, dieses neue China sah schon lange nicht mehr so alt aus.

Heute 18.30 Uhr (Odeon), 20 Uhr (Urania), 17.2., 19.30 Uhr (MGB-Kino)

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