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Berlinale: In der Strafkompanie

"Tropa de Elite“ von José Padilha sorgt für Aufregung im Wettbewerb der Berlinale.

Dieser Film ist ein lauter Schrei! Nach Ruhe. Nach Gesetz. Nach Ordnung. In einer Welt der Angst, der Gesetzlosigkeit und des sozialen Chaos kann man diesen Ruf erst mal niemandem übelnehmen. Und doch hat José Padilhas „Tropa de Elite“ gerade in Brasilien für hitzige Debatten gesorgt. Selbst das böse Wort „faschistoid“ wurde in den Ring geworfen. Nur: Faschismus ist was anderes. Wer Recht und Sicherheit fordert, schreit deshalb noch lange nicht nach repressiver law-and-order-Politik oder gar einem Führer. So viel muss man zu Padilhas Verteidigung sagen – was aber nicht heißt, dass man ihn so einfach davonkommen lassen sollte.

Wir sind im Rio de Janeiro des Jahres 1997, kurz vor dem Papst-Besuch. In den 700 Favelas der Stadt herrschen die Gangs der Drogendealer. Die weißen College-Kids kaufen in den engen Gassen der Slums ihr Hasch und Koks. Und die Polizei lässt sich fürs Wegschauen schmieren. Wenn sie wieder mal jemanden umgelegt hat, wird die Leiche einfach über die Reviergrenze geschafft: Sollen sich die anderen drum kümmern. Ein Polizist beschwert sich über die Korruption – und wird dafür beinahe von den eigenen Kollegen hingerichtet. Nur eine Polizei-Elitetruppe, die dem Film den Namen gibt, steht als Fels in der Brandung. Meint man jedenfalls zunächst. Doch mit ihren Folter- und Selbstjustizmethoden verstärkt die Truppe das Chaos noch. Auch die Figur im Zentrum des Films, deren OffStimme einen großen Teil der118 Minuten begleitet, macht keine Ausnahme: Der Elitepolizist Nascimento ist ein kapitales Arschloch!

Es entgeht also nichts und niemand Padilhas Anschuldigungsfuror: weder die Dealer noch die korrupte Polizei, weder die ultrabrutalen Widerlinge von der Elitepolizei noch die korrumpierten NGOs – und auch die wohlbehüteten Studenten kommen alles andere als gut weg, weil sie mit ihrem Drogenkonsum die Dealer-Geschäfte am Laufen halten. Diese Rundumschlagsrhetorik hat einen Vorzug, der nicht unwichtig ist als Argument gegen den Faschismus-Vorwurf: Hier wird nicht in Schwarz und Weiß gemalt, hier ist alles dunkel.

Doch weil Padilha seinem Film einen hyperaktiven Stil verpasst hat, der das urbane Chaos leibhaftig spürbar machen soll, geht jede argumentative Nuance verloren. Im seinem Kugelhagel aus Schnitten, Reißschwenks und bombastischen Tönen bleibt dem Zuschauer kaum Zeit, einen klaren Gedanken zu fassen. Der 40-jährige Regisseur mag in Oxford studiert haben – klug ist sein Film nicht. Auch ein Kurzausflug in Michel Foucaults Machttheorie reißt das nicht mehr heraus. Ein anderes Problem ist die Faszination, die der Film für den militärischen Drill und den Korpsgeist der Elitetruppe hegt. Hier schafft Padilha zu wenig Abstand. Bei aller Leidenschaft und Wut, die den Regisseur angespornt haben mag – vielleicht hätte er sich vorher selbst ein wenig mehr Ruhe und Ordnung zum Nachdenken gönnen sollen.

Heute 9.30 Uhr und 23.30 Uhr (Urania), 20 Uhr (International).

Julian Hanich

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