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Berlinale: Unmut

Freude über den Preisträgerfilm, Unverständnis über die Polanski-Auszeichnung: Wie die Jubiläums-Berlinale in der Presse bilanziert wird.

Die Medienbilanzen der 60. Berlinale fallen überwiegend negativ aus. Zwar wird der Goldene Bär für den türkischen Film „Bal“ von vielen erfreut zur Kenntnis genommen, der Regiepreis für Roman Polanski jedoch als schwer nachvollziehbare Solidaritätsadresse an den Regisseur im Schweizer Hausarrest kritisiert. Der abschließende Unmut über den Wettbewerb fällt fast unisono aus, in der Berliner, der nationalen wie der internationalen Presse. „Wirklich schlecht war keiner der Wettbewerber um den 60. Berlinale-Bären, aber eben auch nicht so richtig gut und herausragend“, schreibt Spiegel Online. Die „FAZ“ findet, dass Festivalchef Dieter Kosslick mit seiner Wettbewerbspolitik in einer Sackgasse angelangt sei. In diesem Jahr habe sich die Berlinale „bis auf Weiteres aus der Konkurrenz mit Cannes und Venedig verabschiedet – um sich irgendwo in der Liga von Locarno oder San Sebastián anzusiedeln“, schreibt Michael Althen. Der „Süddeutschen“ fehlten Höhepunkte, sie gibt aber zu bedenken, „ob es die Filme, die man vermisst, tatsächlich gibt“. Seit Beginn der Finanzkrise würden weltweit weniger Filme realisiert. „Die Welt“ freut sich zwar, dass der Goldbär für „Bal“ auch ein Sieg für die langfristige Förderpolitik des Festivals sei. Aber Kosslicks Credo „Der Film ist der Star“ sei nicht in Erfüllung gegangen. „Allzu viele Stars dieser Art, welche den 60. Berlinale-Jahrgang auf Dauer überleben werden, haben wir nicht gesehen.“

Der Wiener „Standard“ betitelt seine Bilanz mit „Mehr Mut wäre kein Schaden“. Zwar habe es in den Nebenreihen einiges zu entdecken gegeben, den Wettbewerb nennt das Blatt jedoch „enttäuschend“. „Zu wenige Regisseure mit unverwechselbarem Stil treffen auf zu viele Varianten eines Kinos, das sich in Beliebigkeit erschöpft.“ Die „Neue Zürcher Zeitung“ zieht ein zwiespältiges Resümee: Mit dem Jubiläumsjahrgang, „der zwar Disparates und auch Schwaches enthielt“, sei es Kosslick gelungen, auf „Tendenzen und Themen“ des zeitgenössischen Films aufmerksam zu machen. „Le Monde“ aus Paris konstatiert die Schwäche des Wettbewerbs im Kontrast zum Reichtum der anderen Sektionen, auch der „Guardian“ spricht von einem „überraschend bescheidenen“ Jubiläumsprogramm. Die britische Zeitung lobt vor allem Genrefilme wie Benjamin Heisenbergs „Räuber“ und „The Killer Inside Me“ von Michael Winterbottom. Für den Wettbewerb müsse die Berlinale aber „einen Weg finden, um sich von Cannes einige Stärken zurückzuerobern“. Die „New York Times“ schrieb bereits letzte Woche, dass die 60. Berlinale sich mehr um die abwesenden Stars (Banksy, Polanski) drehte als um die anwesenden. chp

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