zum Hauptinhalt

Kultur: Berliner Philharmoniker: Hört auf diese Stadt!

Es gibt Tage, da lässt man sich nicht gerne Wasser in den Sekt schütten. Franz Xaver Ohnesorg, der künftige Intendant der Berliner Philharmoniker, und Kultursenator Christoph Stölzl wollten gestern bei der Unterzeichnung von Ohnesorgs Fünf-Jahres-Vertrag einfach keine Kassandrarufe hören.

Es gibt Tage, da lässt man sich nicht gerne Wasser in den Sekt schütten. Franz Xaver Ohnesorg, der künftige Intendant der Berliner Philharmoniker, und Kultursenator Christoph Stölzl wollten gestern bei der Unterzeichnung von Ohnesorgs Fünf-Jahres-Vertrag einfach keine Kassandrarufe hören. Nichts von der Berliner Koalitions- und nichts von der Haushaltskrise, die den Reformprozess des Orchesters und seine künstlerische Zukunft bedrohen. Eitel Freude sollte bei der nachmittäglichen Signierzeremonie in der Philharmonie herrschen. Orchestervorstand Peter Riegelbauer sprach gar von einer "kleinen Feierstunde" und strahlte dabei ebenso wie sein Vorstandskollege Andreas Wittmann.

Zweimal hatten die Philharmoniker vergeblich versucht, Ohnesorg nach Berlin zu holen. 1996 entschied sich der Bayer, der als einer der weltweit durchsetzungsfähigsten Kulturmanager gerühmt wird, Chef der Kölner Philharmonie zu bleiben, weil man ihm keine befriedigenden Arbeitsbedingungen bieten konnte. Bei der zweiten Anfrage, im Winter 1999, hatte er gerade seinen neuen Job als Leiter der New Yorker Carnegie Hall angetreten. Dann aber entwickelten sich die Dinge jenseits des Atlantiks anders als erwartet, und in Berlin wurde Ohnesorgs alter Kumpel aus Münchner Zeiten, Christoph Stölzl, Kultursenator. Der sorgte dafür, dass bald ein Vertragsentwurf durchs Fax surrte, dem Ohnesorg nicht widerstehen konnte. Stölzls Engagement war es wohl auch zu verdanken, dass der Kontrakt die Personalkommission des Senats ungewöhnlich rasch durchlief - so dass nun am Montag der Schaumwein fließen konnte.

Sogar eine kleine philharmonische Premiere gab es zu bestaunen: Erstmals in der Geschichte des Orchesters saßen zwei Chefdirigenten mit dem Intendanten an einem Tisch: Simon Rattle, der gerade bei seinem künftigen Orchester gastiert (siehe nebenstehenden Artikel), und Claudio Abbado, der zurzeit Verdis "Falstaff" auf CD aufnimmt und erfreulich erholt und entspannt aussah. Die Maestri überboten sich im Lob des neuen Intendanten: Abbado nannte Ohnesorg "einen alten Freund", Rattle gar "meinen älteren Bruder" - und setzte mit Mut zum Pathos das Motto einer Sinfonie von Edward Elgar als Motto über die künftige gemeinsame Arbeit: A massive hope for the future.

Der so Geehrte wehrte allerdings bescheiden ab: Er sei doch nur ein "Ermöglicher", der den Musikern und dem Publikum zu spannenden Begegnungen verhelfen wolle. Angesprochen auf die Gefahr, dass wegen der Berliner Haushaltskrise die versprochene Gehaltsanpassung für die Musiker in Höhe von 3,3, Millionen Mark wieder zurückgezogen werden könnte, übte er den Schulterschluss mit dem Chefoptimisten des Senats, Christoph Stölzl: Tief beeindruckt habe es ihn, als sich das Berliner Abgeordnetenhaus im vergangenen Jahr mit überwältigender Mehrheit dafür aussprach, die Philharmoniker nicht an den Bund abzutreten: "Das war ein moralisches Votum". Er traue sich zu, den einen und anderen Politiker davon zu überzeugen, dass "wir unser Geld wert sind". Und Freund Stölzl fügte mit Sonntagslächeln hinzu: "Es wird gelingen, die nötigen Gelder in den Haushalt einzustellen - weil es keine Alternative gibt."

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false