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Kultur: Beton & Spiele

Olympia-Tagebuch (6) Von Petros Markaris

Es gibt ein Barcelona vor und ein Barcelona nach den Olympischen Spielen. Meine Freundin Susana, gebürtige Barcelonerin, behauptet, Barcelona sei vor den Spielen eine schöne Stadt gewesen. Jetzt sei sie nur noch eine schöne Boutique.

Ein Athen vor und nach den Olympischen Spielen wird es nicht geben. Wir haben zwar zwei Autobahnen bekommen, die AttikaStraße und die Hymettos-Ringstraße, und ein besseres Verkehrssystem, sonst ist aber so ziemlich alles beim Alten geblieben, mit ein bisschen Schminke. Vielleicht kam vieles einfach zu spät. Vielleicht fehlte es an Geld. Was kann für die Stadt schon übrig bleiben, wenn uns das Olympia-Projekt das Dreifache des ursprünglichen Etats gekostet hat und wir das Meiste mit Krediten finanziert haben?

Ich darf kein Griesgram sein. Gerade jener Teil Athens, den ich am meisten liebe, die Innenstadt, bekam nämlich die gründlichste Schönheitskur. Das war richtig und klug. Wenn es hier noch etwas zu retten gibt, dann die Innenstadt.

Wenn ich meinen Innenstadt-Spaziergang mache, steige ich in der Metro-Station Akropolis aus und gehe durch die Dionissiou-Areopagitou-Straße. Die Strecke führt am Herodion, dem Amphitheater des Herodes Attikus, vorbei, rechts biegt der Weg zur Akropolis ab. Ich gehe weiter bis zum Stadtteil Thission – eine Stunde dauert der Spaziergang. Wenn ich ihn in der Dämmerung mache, habe ich fast dasselbe Gefühl wie in Modena. Modena hat sich keinen Schritt von der Renaissance entfernt, fehlt nur noch die Renaissance-Kleidung. Und auch hier in der Fußgängerzone warte ich auf Damen mit Krinolinen und Herren im Gehrock.

Was fehlt am meisten in Athen? Das Grün. Hätten wir Grünflächen geschaffen, könnten wir von einem Athen vor und nach den Olympischen Spielen sprechen. Aber wir haben kein Grün, nicht mal im Olympischen Dorf. Am meisten leiden die Plätze darunter. Der Syntagma-Platz konnte sich noch mit Müh und Not retten. Aber aus dem Omonia-Platz, dem Monastiraki-Platz und dem Kolonaki-Platz sind Betonflächen geworden. Sogar auf dem renovierten, kleinen Agion Assomaton, dort wo die Fußgängerzone endet, sieht man zuerst den Beton. Erst später entdeckt man auf der Hinterseite, fast versteckt, einen kleinen Rasen. Fast ist es so, als ob wir uns für das Grün schämten.

Was ist der Unterschied zwischen den Altgriechen und uns Neugriechen? Sie hatten Marmor, wir haben Beton.

Petros Markaris lebt als Autor und Übersetzer in Athen. Seine Krimis (zuletzt: „Live!“) sind auch in Deutschland Bestseller. Im Tagesspiegel erscheint dreimal wöchentlich sein Olympia-Tagebuch.

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