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Heinz Ludwig Arnold.

© dpa

Heinz Ludwig Arnold: Betriebsmacher

Zum 70. Geburtstag des Germanisten Heinz Ludwig Arnold: Der Herausgeber von "Text + Kritik" ist spottversiert, ein begnadeter Schreiber und Interviewer, vor allem aber: ein guter Zuredner und Ermöglicher.

Er ist kein bannbulliger Papst, kein inflationärer Königsmacher, kein letztinstanzlicher Bundesrichter – und dennoch ein Literaturbetriebsmensch, wie er in seinen Büchern steht. Heinz Ludwig Arnold hat diesen Betrieb zwar nicht erfinden können. Doch hätte er es gedurft, blickten wahrscheinlich viele sehr viel freundlicher darauf. Denn Arnold ist nicht nur seit einer Ewigkeit darin unterwegs, sondern auch auf dessen besserer Seite.

Solange er dabei ist, hat er einen anderen Part als den des Präzeptors innegehabt, einen autoren- und leserfreundlicheren nämlich: Er konnte und kann immer noch dezidiert kritisch, auch polemisch sein. Er ist humorgepolstert und spottversiert. Doch lieber war er stets guter Zuredner, Lebenshelfer, Bekanntmacher und Ermöglicher, kurz: ein Betriebsseelsorger. Weiß Gott, er hat viel selbst geschrieben: Kritiken, Essays, Porträts. Ein Interviewer von Gnaden. Mehr aber noch hat er herausgegeben, wobei es ihm weniger um seinen Ruhm ging als darum, Produzenten und Konsumenten ein verlässlicher Partner zu sein. Darin war er nicht ohne List, so wie er es verstand, Autoren, Literaturkritik und nicht zuletzt Literaturwissenschaft zu verkoppeln, ohne zum Kuppler zu werden, von seiner stabilen Randlage in Göttingen aus.

1971 erschien von ihm ein schmales Bändchen: „Literaturbetrieb in Deutschland“. In den folgenden Auflagen setzte es, wie der Betrieb selbst, Ring um Ring an. Seine runderneuerte Fassung von 2009 bringt es auf über 400 Seiten. Es wuchs darin mindestens ebenso sein Anteil. Wie kein Zweiter hat er Brücken zwischen der aktuellen Literatur, der Kritik und Literaturwissenschaft geschlagen. Eine Auswahl im Krebsgang: Letztes Jahr ist die von ihm verantwortete Neuausgabe von „Kindlers Literaturlexikon“ erschienen. 1996 „Grundzüge der Literaturwissenschaft“, mit Heinrich Detering organisiert, inzwischen mehrfach aktualisiert. 1995 vier Bände zur deutschen Nachkriegsliteratur. 1978 das „Kritische Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur“ als Loseblattsammlung begonnen, inzwischen rund 700 Autoreneinträge, seit 2001 auch online. Vor allem aber „Text + Kritik“. Das erste, zu Günter Grass, heute in der siebten Auflage, erschien 1962. Da war Arnold selbst noch Student der Germanistik. Das aktuellste, das 186., ist Oskar Pastior gewidmet. Dazwischen immer wieder Bilanzen, ehe andere überhaupt etwas auf der Rechnung hatten – zur Arbeiterliteratur, zur Gegenwartsliteratur, zur DDR-Literatur. Vom Sekretär Ernst Jüngers und Freund Friedrich Dürrenmatts wollen wir erst gar nicht reden. Reden wir ihm, dem Betriebsmacher, stattdessen gut zu, er möge sich heute zum 70. Geburtstag gebührend feiern lassen – und morgen so frohgemut weitermachen wie bisher.

Erhard Schütz

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