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Bibliotheken: Kein Platz für "alte Schinken"

In Deutschlands Bibliotheken herrscht Papierstau: Jahr für Jahr wird der Bücherbestand neu aufgestockt, um immer die aktuellsten Ausgaben zu haben. Doch wohin mit den alten Exemplaren?

Berlin - Sie türmen sich zu langen, verstaubten Reihen. Seit zehn Jahren oder länger hat sie keiner angeschaut, die alten Bücher in Deutschlands Bibliotheken. Da diese ständig auf dem neuesten Stand der Literatur sein müssen und deshalb pro Jahr viele tausend Exemplare neu hinzukommen, haben die meisten Häuser mittlerweile ein massives Platzproblem. Vor allem die Universitätsbibliotheken, die viele Exemplare in mehrfacher Ausführung aufbewahren müssen, wissen nicht mehr wohin mit den vielen Büchern. Die Leiter der Häuser sind auf der Suche nach Lösungen sehr erfinderisch. Bei besonders veralteten, zerfledderten Exemplaren bleibt manchmal aber nur noch ein Weg - der Sondermüll.

Hat eine Bibliothek Bücher mehrfach, die kaum noch ausgeliehen werden, würden diese meist den Studenten und Professoren oder auch auf Flohmärkten zu einem geringen Preis zum Kauf angeboten, sagt die Vorsitzende des Deutschen Bibliotheksverbandes in Berlin, Claudia Lux. Finde sich partout kein Käufer - etwa für DDR-Computer-Fachliteratur aus den siebziger Jahren - würden Bücher "unter Umständen auch vernichtet".

"Vor allem Universitätsbibliotheken haben Raumprobleme"

Diesen Weg geht auch der Direktor der Universitätsbibliothek Mainz, Andreas Anderhub. Er hat nach eigenem Bekunden "erhebliche Probleme" mit dem Platz in seinem Haus. Etwa 60.000 bis 90.000 Bücher und Zeitschriften kommen ihm zufolge jedes Jahr zu dem ohnehin schon recht umfänglichen Bestand von vier Millionen Büchern hinzu. Er bemühe sich ständig, etwa durch Umlagerung neue Lagerflächen zu gewinnen.

Im vergangenen Jahr habe die Universitätsbibliothek damit begonnen, Bücher auszusondern, die nicht mehr gebraucht werden. Sie würden Studenten und Professoren, manchmal auch Antiquariaten angeboten. Was noch übrig bleibt, beispielsweise Betriebswirtschaftsliteratur aus DDR-Zeiten, werde vernichtet. "Vor allem die Universitätsbibliotheken haben in der Regel alle Raumprobleme", berichtet Anderhub.

"Alles eine Geldfrage"

Karl-Wilhelm Horstmann, der Direktor der Universitätsbibliothek Hohenheim in Stuttgart, hat eine ganz einfache Lösung parat: Einmal im Monat verwandelt sich ein Zimmer der Universität in ein Antiquariat. Bücher einer veralteten Auflage werden dann für wenig Geld an Studenten oder Lehrkörper veräußert. Manches, sagt auch er, könne aber nur dem Altpapier zugeführt werden.

"In erster Linie ist alles eine Geldfrage", weiß Peter Wolff, der Direktor der Universitätsbibliothek Greifswald. Ist wie so oft kein Geld für einen Bibliotheksneubau da, macht die (Platz-)Not erfinderisch. Sein Haus biete ausgesonderte Bücher anderen Bibliotheken im Land an. Schließlich handele es sich dabei um Landeseigentum, mit dem sorgsam umgegangen werden müsse. Trotz wachsender Bestände wirft Wolff nicht gern Bücher weg - es sei denn, sie sind moralisch und physisch verschlissen. "Immerhin besteht die Möglichkeit, dass die übernächste Generation Interesse daran hat", sagt er und bemüht sich um zusätzliche Flächen, die durch Verlagerungen innerhalb der Universitätsgebäude frei werden.

Digitalisierung sehr kostspielig

Ausnahmsweise keine Platzsorgen hat die Universitätsbibliothek Cottbus, die seit kurzem in einem Neubau untergebracht ist. Dennoch hat Direktorin Magdalene Frewer-Sauvigny kein Problem mit der Aussonderung alter, überholter Bestände. Im Land Brandenburg gebe es dafür sogar eine Richtlinie, an die sich die Bibliotheken halten. Sie schwört jedoch auch auf den Büchertausch mit anderen Häusern. "Das funktioniert gut, kostet kein Geld und man kann Exemplare beschaffen, die es teilweise in den Buchhandlungen gar nicht mehr gibt", berichtet die Chefin des Hauses, das 2006 zur Bibliothek des Jahres gewählt wurde.

Eine weitere, allerdings für die Bibliotheken recht kostspielige Möglichkeit der Platzersparnis ist die Digitalisierung der Bücher. Dünne CD-ROMs statt dicker Bücher - dieser Trend werde zunehmen, ist Horstmann überzeugt. Sie sei auch eine gängige Methode zur Erhaltung wertvoller Bücher. Er kennt noch einen weiteren Vorteil elektronischer Bücher im Vergleich zu denen aus Papier: Sie lassen sich viel besser durchsuchen. (Von Susann Huster, ddp)

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