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Kultur: Bilderstreit

Reden über die RAF beim Berliner Theatertreffen

Mit der Nachricht von der Ablehnung des Gnadengesuchs von Christian Klar eröffnet Moderator Peter von Becker das Podiumsgespräch. Im Haus der Berliner Festspiele wird über „Freund- und Feindbilder zwischen Ästhetik und Realität“ diskutiert. Der Abend im Rahmenprogramm des Theatertreffens entwickelt sich schnell zu einer mehrstimmigen Kritik der „immer hysterischer werdenden“ RAF-Debatte, so der Hamburger Regisseur Nicolas Stemann.

In seiner Inszenierung des Jelinek-Stücks „Ulrike Maria Stuart“ habe er bewusst nicht die RAF, sondern das „Reden über die RAF“ zum Thema gemacht. Der alte Linksjurist Uwe Wesel kritisiert, dass sich in der aktuellen Debatte niemand wirklich für die Ursachen des Terrorismus interessiere. Und Stemanns Regisseurskollege Andreas Kriegenburg warnt sogar, dass die RAF-Debatte von der Rechten „missbraucht werde, um legitime Kritik an den Verhältnissen zu diskreditieren“. Es würden, so wiederum Lederjackenträger Stemann, reflexartig die alten Denk- und Sprachschablonen aus der Mottenkiste geholt. Da lobt sich der Regisseur dann doch die Trennung von Politik- und Theaterbetrieb. Und bezeichnet gleich mal, mit charmant gesinnungsunrasiertem Grinsen, „Bild“-Chef Kai Diekmann als „Vertreter des Schweinesystems“.

Im Theater könnte man glücklicherweise auf der Verwischung von Zeichen und Bezeichnetem bestehen, so Stemann, das Politik-Theater müsse sich dagegen immer markig und „eigentlich“ geben und Komplexes vereinfachen, während Theater die Widersprüche aushalte. In „Ulrike Maria Stuart“ zeigt Stemann die RAF-Gang als Ideologie-Show-Spielende, auf der hektischen Suche nach dem Punkt, an dem es endlich mal ernst wird – dann liegt der erste Tote da. In Hinblick auf die Realität kann Berlins Innensenator Ehrhart Körting allerdings beruhigen: „Durch die RAF ist auch die Linke gegen Gewalt immunisiert.“ Das habe auch mit der Großen Koalition zu tun, die „pazifizierend“ wirke, Körting, der einzige in der Runde mit Krawatte, spricht sogar von einer „außerparlamentarischen Apathie“. Zustimmung von Wesel und Stemann. Nur Kriegenburg muss da „vehement“ widersprechen. Der Regisseur, der mit seiner Inszenierung von Sartres utopiesehnsüchtigem Politstück „Die schmutzigen Hände“ beim Theatertreffen dabei ist, konstatiert ein allgemeines Bedürfnis, sich zu radikalisieren, „sich politisch zu empfinden“. Kriegenburg hat offenbar gerade ein paar hochengagierte Hospitanten gehabt. Alle Hoffnung liegt jetzt auf denen.

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