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Es wimmelt von allerlei Tieren...

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Biokunst-Ausstellung in der Alfred-Erhardt-Stiftung: Ein Frosch mit drei Beinen

Künstler experimentieren mit Zellen, Fasern und Bakterien: Die Ausstellung „Nature Cultures“ thematisiert die Eingriffe des Menschen in die Natur.

Einen risikofreudigen Gast hat sich die Alfred-Ehrhardt-Stiftung eingeladen: den Weddinger Projektraum Art Laboratory, in dem Künstler mit Biokunst experimentieren, mit Zellen und Fasern, Bakterien und Körpern. In der eher auf moderne Naturfotografie spezialisierten Stiftung lassen die Kuratoren Regina Rapp und Christian de Lutz nun die Überformung der Natur durch menschliches Wirken thematisieren. Pinar Yoldas und Brandon Ballengée aus den USA sowie die mexikanische Künstlerin Katya Gardea Browne nähern sich Symptomen des Anthropozän, des neuen Erdzeitalters, in dem sich die Folgen menschengemachter Umwelteinflüsse in den verschiedenen Erdschichten ablesen lassen.

Experimente brauchen nicht immer zu gelingen, das ist die Freiheit des Labors. Pinar Yoldas, dem Berliner Publikum schon vom Medienkunstfestival Transmediale bekannt, zeigt zwei kinetische Plastiken, puppengleiche „Designer Babys“ mit verdrehten Gliedmaßen in Flüssigkeit, und eine Zeichnung von einem Huhn ohne Kopf, das nur noch aus einem eierlegenden Leib besteht. Beide Arbeiten sind nicht viel mehr als nette Illustrationen gruseliger Ideen.

Nachdenklicher stimmen die Fotos des Biologen Brandon Ballengée, der tote Fische und Amphibien einfärbt, um Knochen, Knorpel, Gefäße und damit mögliche Erkrankungen sichtbar zu machen, ein Verfahren, wie es in Berlin beispielsweise das Leibniz-Institut anwendet, um die Todesursachen Brandenburger Wölfe zu bestimmen. Doch Ballangée arrangiert die Körper zu delikaten Bildern. Vor lauter Eleganz lassen sie wenig Erkenntnisgewinn zu: Wuchsen diesem Frosch drei Beine, weil sein Teich verschmutzt war oder weil ein Insekt die Hüfte der Kaulquappe angefressen hat? Kunst muss nicht immer nur Fragen stellen, sie darf auch mal Antworten geben.

Assoziationen, die ins Kraut schießen

Anspruchsvoller wirkt Brownes Beitrag über das alte Wasserstraßennetz von Mexiko-Stadt. Ihre kleinen Fotografien, auf einem Bord neben- und hintereinandergestellt, zeigen Flussarme, Uferpflanzen und Boote im Weltkulturerbe-Viertel Xochimilco sowie rund 2500 Jahre alte Olmeken-Steinköpfe aus einem archäologischen Museum. Mal in Schwarz-Weiß, mal grün oder rot eingefärbt, mal in lebensnahen Farben. Auf einem Tablet gegenüber läuft das Video von einer stillen Bootsfahrt. Die kleinen Formate zwingen zum genauen Hinsehen.

Anders als Ballangée will Browne nicht überwältigen, sondern argumentieren: für eine Wiederbelebung der alten flussbasierten Landwirtschaft, die nicht gegen, sondern mit der Natur arbeitete. Allerdings fehlt auch hier das ins Werk eingearbeitete Hintergrundwissen. Die Assoziationen können daher ins Kraut schießen: Ähnelt der Fluss mit den schwimmenden Gärten nicht der östlichen Spree? Und legten die Preußen nicht Sümpfe trocken, um Ackerbau zu ermöglichen, was jetzt dazu beiträgt, dass Brandenburg zu wenig Grundwasser hat? Von den drei experimentellen Positionen aus dem Art Laboratory scheint Brownes Versuch am meisten eine Weiterentwicklung zu lohnen.

Alfred Ehrhardt Stiftung, Auguststr. 75, bis 4. September, Di, Mi, Fr–So 11–18 Uhr, Do 11–21 Uhr

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