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Kultur: Birne an Silberdraht

Schimmernder Glanz und matte Oberflächen, feine Ziselierung und grobe Prägung, leichte Formbarkeit und kostbare Masse - das Material Silber hat es englischen Kunsthandwerkern seit jeher angetan.Während aus Gold die Schmuck- und Prunkgefäße entstanden, fand Silber auf dem Gebiet gehobener Gebrauchsgegenstände wie Teekannen und -service, Schalen, Vasen und Kästchen Verwendung.

Schimmernder Glanz und matte Oberflächen, feine Ziselierung und grobe Prägung, leichte Formbarkeit und kostbare Masse - das Material Silber hat es englischen Kunsthandwerkern seit jeher angetan.Während aus Gold die Schmuck- und Prunkgefäße entstanden, fand Silber auf dem Gebiet gehobener Gebrauchsgegenstände wie Teekannen und -service, Schalen, Vasen und Kästchen Verwendung.Dem Spiel mit Form und Funktion setzt der Stoff dabei kaum Widerstände entgegen.Es scheint wie geschaffen für die weichen Schwünge des Jugendstil und taugt auch für die glatte Härte geometrischer Formen.Daß Entwicklung dabei nicht gradlinig verläuft, beweist die Ausstellung "Metalmorphosis.Tradition und Innovation in britischen Silber- und Metallarbeiten von 1880 bis 1998", die das Berliner Bröhan-Museum nach einer Station im Kunstgewerbemuseum Prag vom British Council in London übernommen und mit eigenen Beständen ergänzt hat.Das runde Jahrhunderts britischer Metallkunst, das mit 140 Exponaten vorgestellt wird, beschreibt auch stilistisch einen Kreis: Da könnte eine Teekanne Christopher Dressers von 1880 auch von heute sein, während die zieselierten Vasen Rod Kelleys von 1996 dem 19.Jahrhundert verpflichtet sind.

Der Widerstreit zwischen ornamentaler Freiheit und strenger geometrischer Form zieht sich durch das ganze Jahrhundert.Früh schon findet die englische Arts-and-Crafts-Bewegung mit Charles Robert Ashbee und und Archibald Knox Verbindungen zwischen beiden Polen: Eine Weinkaraffe Ashbees mit einem blumenstilförmigen Henkel sowie ein von Knox für die Firma Liberty in Birmingham gefertigter Deckelpokal, der kontinentale Jugendstil-Formen mit keltischen Symbolen verbindet, stehen als Beispiele dafür.Christopher Dresser mit seinen an japanischen Formen orientierten Teekannen ist dagegen Gründungsvater moderner, rationalistischer Formgebung.Reiner Jugendstil bei Alexander Fisher, der mit einem von einer lasziv geschwungenen Frauenfigur getragenen Venusspiegel (1898) schwüles 19.Jahrhundert verkörpert.

Form und Ornament, das heißt gleichzeitig Funktionalität und Kunst.Die geometrischen, dem europäischen Funktionalismus verpflichteten Entwürfe der 20er und 30er Jahre entwickeln Gegenstände aus der reinen Form: Ein Teeservice William Murphys, das die Kannenform aus dem perfekten Kreis aufbaut, eine Vase und ein Cocktailshaker Henry George Murrays, der gleiches aus dem Zylinder versucht, oder, als Krönung der Formreduktion, Robert Johnsons "Cube Teapot" von 1916-1922, der eine Teekanne aus einem Quadrat entwickelt.Unweigerlich, daß mit Ende der 30er Jahre der Geschmack sich wieder zum Gegenständlichen wendet: Die Zigarettendosen Joyce Rosemary Himsworth zeigen Gesichter und Ornamente und wirken in der klaren Linienführung wie Vorläufer der 50er Jahre.

Die größte Überraschung aber hält der zweite Teil der Wanderausstellung mit Werken junger britischer Künstler der 90er Jahren bereit.Sicher, die Schere zwischen Funktionalität und Kunst klafft hier breiter auseinander (auch, weil die Ausstellung sich hier nicht auf Gebrauchsgegenstände beschränkt, sondern auch Skulpturen miteinbezieht).Die elegante Geradlinigkeit aber, die Andreas Fabians hinreißend einfaches Besteck, Rebecca de Quins geschwungener Brieföffner oder Alex Bogdans aus einer einzigen Welle entwickelte Schalen auszeichnet, scheint direkt aus der Linie Dresser-Ashbee-Murray zu stammen.

Hinzu kommt eine neue Experimentierfreudigkeit, was den Umgang mit Metallen angeht.Zeitgenössische englische Künstler wie Michael Rowe oder Robert Marsden suchen mit Oxidations- und Mischprozessen eine neue Farbigkeit.Da wird Messing so patiniert, daß es wie Stein erscheint (Marsden), oder Kupfer bis zu strahlenden Blautönen oxidiert (Rowe).Englischer Humor schließlich in den Werken Lucian Taylors, der silberne Besteckgriffe Hühnerknochen oder Rattenschwänzen nachformt, oder in den Mobiles von David Clarke, der mit Birnen an Silberdrähten Alltag und Kunst in der Schwebe hält.

Bis 9.Mai, Di bis So 10 bis 18 Uhr.Katalog in englischer Sprache 45 Mark.Morgen um 17 Uhr hält Michael Rowe einen Vortrag.

CHRISTINA TILMANN

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