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Kultur: Bitte lächeln

Martenstein hat über das Wesen des Humors nachgedacht

Auf der Berlinale, dem politischen Festival, wird viel über Humor und Satire und Karikaturen diskutiert. Deswegen habe ich, in der Tradition Martin Luthers, 95 Thesen über Humor und Satire aufgeschrieben und an den Zoo-Palast geheftet. Hier eine Auswahl.

I. Wer garantiert niemanden beleidigen möchte, verzichtet am besten völlig auf Humor. Dies wäre dann aber eine recht unlustige Welt.

II. Man sollte keine Witze mit dem Ziel machen, Leute zu beleidigen. Das Beleidigtsein ist bei H. also eine ungewünschte, aber manchmal unvermeidliche Nebenwirkung.

III. Humor kann nicht immer eindeutig und unmissverständlich sein. Das Unmissverständliche ist nämlich häufig sterbenslangweilig.

IV. Es gibt auch rassistische und diskriminierende Witze. Man sollte sie verhindern. Aber in einer offenen Gesellschaft gibt es keine totale Kontrolle, und es darf sie auch nicht geben.

V. Außerdem gibt es schlechte, dumme oder missglückte Witze. Man kann aber nicht sagen: Wir lassen nur den guten Humor zu. Genauso wenig, wie man sagen könnte, wir erlauben nur die guten Filme.

VI. In unserem Kulturkreis spielt Humor eine große Rolle. Wir sollten andere Kulturen respektieren, dürfen aber auch unsererseits Respekt verlangen. Respekt für unsere Respektlosigkeit, sozusagen.

VII. Wer droht, ist ein Erpresser. Und es ist halt in der Regel nicht klug, Erpressern nachzugeben. Karnevalisten und sogar Harald Schmidt haben in den letzten Tagen erklärt, dass sie, aus Angst, auf Witze über den Islam verzichten. Feigheit ist menschlich jederzeit verständlich, löst aber keine Probleme, vor allem nicht im Umgang mit Erpressern.

VIII. Humor ist meistens besser, wenn er konkret ist – das heißt, wenn er sich mit dem befasst, was ein bestimmter Mensch gesagt oder getan hat. Der Glaube oder das Heilige sind deshalb keine besonders guten Themen für Humor. Zurückhaltung und Rücksichtnahme bei diesen Themen sind richtig, aber Ausnahmen müssen, wie bei fast allem im Leben, erlaubt sein.

IX. Seit es Menschen auf der Welt gibt, machen sie Witze übereinander und beleidigen sich gegenseitig, vor allem ein Nachbar den anderen. Neu ist die Tatsache, dass in der modernen Welt jeder die Witze kennt, die von den anderen über ihn gemacht werden. Ehrlich gesagt: Wenn ich alle Witze kennen würde, die andere Leute über mich machen, würde ich mich auch ärgern. Erzählt sie mir bitte nicht.

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