zum Hauptinhalt

Kultur: Blechgewalt

Das Orchestre Philharmonique de Radio France in der PhilharmonieVON JÖRG KÖNIGSDORFÖkomomisch argumentiert: Warum sollte man ein Produkt importieren, das schon im Überfluß bereitgestellt wird? An Brahms- und Richard-Strauss-Interpretationen besteht in Berlin jedenfalls kein Mangel - da erscheint es nicht notwendig, daß auch noch ein französisches Orchester sich hier mit Werken wie dem d-Moll-Klavierkonzert und dem "Till Eulenspiegel" präsentiert.

Das Orchestre Philharmonique de Radio France in der PhilharmonieVON JÖRG KÖNIGSDORFÖkomomisch argumentiert: Warum sollte man ein Produkt importieren, das schon im Überfluß bereitgestellt wird? An Brahms- und Richard-Strauss-Interpretationen besteht in Berlin jedenfalls kein Mangel - da erscheint es nicht notwendig, daß auch noch ein französisches Orchester sich hier mit Werken wie dem d-Moll-Klavierkonzert und dem "Till Eulenspiegel" präsentiert.Erst recht, wenn es keine spezifisch französische Sichtweise zu bieten hat, aus einem neuen Blickwinkel.Nun ist das Orchester von Radio France zwar an sich nicht schlecht (die nervösen Holzbläser seien mit Tagesform entschuldigt), doch über ein individuelles Klangprofil verfügt es nicht.Qualitäten, die noch das alte ORTF-Orchester auszeichneten, die trockenen Fagotte, die schneidig-eleganten Trompeten, die leichten, hellen Streicher, besitzt die Nachfolgeformation nicht.Auch keinen Dirigenten, der eine besondere Neigung zu dramatischer Emphase oder selbstbespiegelnder Eleganz besäße.Marek Janowski, seit 14 Jahren Chef des Orchesters, schlägt schon im Brahms-Konzert flotte Tempi an, regelt umsichtig den sinfonischen Ablauf, statt Maestoso-Wucht auszumalen und romantische Abgründe zu öffnen.Das bekommt allein dem zweiten Satz, der so lyrischen Fluß bewahrt - der Rest bleibt kraftlos, locker, geschäftig.Ohne Federlesen spielt auch Gerhard Oppitz den Solopart, nur hin und wieder blitzen Momente einer sprechenden Phrasierung, eines belebenden Dialogs beider Hände auf.Die Frankophilen, die auf die Wiedergabe von Albert Roussels dritter Sinfonie gehofft hatten, bekamen gleichfalls eine recht deutsche, geradlinige Interpretation vorgesetzt.Die Balance zwischen den an Strawinsky gemahnenden motorischen Impulsen und den lyrisch graziösen Episoden verschob Janowski einseitig zugunsten ungezügelt vorantreibender Blechgewalt.Die neoklassische Aufnahme des Sinfoniegedankens wurde zur selbstbewußten Großstadthymne.Trotzdem: ein überfälliges Plädoyer für einen vernachlässigten Sinfoniker, hier hat Berlin tatsächlich Nachholbedarf.

JÖRG KÖNIGSDORF

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false