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Kultur: Blick der bleichen Maske

Gab es 1945 eine Stunde Null? In der bildenden Kunst jedenfalls nicht, erst recht nicht bei Karl Hofer.

Gab es 1945 eine Stunde Null? In der bildenden Kunst jedenfalls nicht, erst recht nicht bei Karl Hofer.67 Jahre alt war der Maler bei Kriegsende, und er konnte auf viel Glanz und Elend zurückblicken: Nach Jahren der Anerkennung und Ehrung hatte er, Hochschulehrer und Mitglied der Akademie der Künste, ab 1933 mit Ächtung und Verfolgung zu kämpfen gehabt.Daß er unter den Nazis "nur" seine Ämter verlor, Mal- und Ausstellungsverbot erhielt und als "entartet" verunglimpft wurde, ist schon fast Glück zu nennen - so unmißverständlich hatte er den braunen Machthabern zu verstehen gegeben, was von ihnen zu halten war.Hierfür wurde Hofer 1945 belohnt, er übernahm die Leitung der neugegründeten Berliner Hochschule der Künste.War der Alptraum vorbei, ging es nun mit gewaltigen Schritten nach vorn? Mitnichten.Die Dämonen, die Hofer so lange zugesetzt hatten, haben ihn nie wieder verlassen.

Aufbruchseuphorie und eitel Sonnenschein wird man auf den 35 Ölbildern und Grafiken aus den Jahren 1944 bis 1955 (Hofers Todesjahr), die derzeit in der Galerie Raab ausgestellt sind, tatsächlich vergeblich suchen.Damit sind sie repräsentativ für Hofers letzte Schaffensperiode, in der der Künstler eine Reihe von Bildformulierungen fand, die geradezu zu Inkunabeln der deutschen Kunst der Trümmerjahre geworden sind.So realistisch viele Werke auch anmuten, das Sichtbare ist es kaum, das er zu schildern, das er auf die Leinwand zu bannen versuchte.Was ihn umtrieb, war vielmehr die Doppelbödigkeit des Erlebten, das Bedrohliche hinter der glatten Fassade, die Fratze inmitten des lächelnden Gesichts.Das war nicht nur die persönliche Sichtweise eines von den Wendungen des Schicksals gezeichneten Mannes, es entsprach vielmehr der wirklichen Situation der Nachkriegszeit.

Selten ist diese Doppelbödigkeit so offensichtlich und dazu noch im Titel direkt angesprochen wie bei dem 1948 gemalten Gemälde "Dahinter" (88 000 DM).Eine zerborstene, blinde Glasscheibe, deren Splitter wie Eisschollen auf dem dunklen Bildgrund treiben, gibt den Blick frei auf mehrere Männergesichter, die beziehungslos nebeneinander gesetzt sind.Nur eines wendet sich dem Betrachter direkt zu, doch ausgerechnet dieses gibt sich als undurchdringliche, bleiche Maske mit schwarzen Augenhöhlen zu erkennen - die Maske ist eines der sprechenden Motive, die Hofer in diesen Jahren besonders häufig verwendet hat.

Am eindringlichsten jedoch ist die hier abgebildete "Höllenfahrt" von 1947, die zu den musealen Stücken der Schau gehört.Schaut man genau hin, erkennt man am Ufer zur Linken und Rechten des Bootes zwei brennende Städte, die sich wie Geschwister zu ähneln scheinen.Ein Jahr später, 1948, sollte es zur Blockade Berlins kommen.Der Kalte Krieg hatte da jedoch schon längst begonnen.

Raab Galerie, Potsdamer Straße 58, bis 21.November; Montag bis Freitag 10-19 Uhr, Sonnabend 10-16 Uhr.

MARKUS KRAUSE

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