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John Baldessaris Gemälde „It’s Possible, Although ...“ (2015) in der Galerie Sprüth Magers L.A.

© Marian Goodman Gallery / Sprüth Magers

Boom der Museen und Galerien: Aus der Traumfabrik

Los Angeles will zur Kunstmetropole der USA werden. Neueröffnungen wie der spektakuläre Ableger der Galerie Sprüth Magers unterstreichen den Anspruch.

Es war wohl, was man einen glanzvollen Abend nennen würde: Fast 2000 Leute drängten sich am Eröffnungsabend in der neuen Filiale von Monika Sprüth und Philomene Magers in Los Angeles. Zeitweilig standen die Besucher einmal um das coole Sechzigerjahregebäude von William Pereira gegenüber vom Los Angeles County Museum of Art und warteten auf Einlass in die Eröffnungsschau mit neuen Arbeiten von John Baldessari.

Nach der Kunst kommt der Handel nach Los Angeles

Das Spektakel eines solchen Abends wird in den Medien als Indiz für die Geburt der Kunstmetropole Los Angeles gefeiert. Jahrelang schien es ausgeschlossen, dass auf dem amerikanischen Kunstmarkt etwas parallel zu New York entstehen und Bestand haben könnte. Die Eröffnung von Sprüth Magers machte vor allem eines deutlich: Nach der Kunst kommt nun der Handel nach Los Angeles. Großgalerien ziehen den Künstlern hinterher, auf der Suche nach neuen Sammlern und frischem Geld.

Die Westküsten-Filiale von Sprüth Magers wird vor Ort geleitet von der Schweizerin Anna Helwing und der Amerikanerin Sarah Watson. Wie die meisten neuen Galeristen hier betont natürlich auch Helwing zunächst die Nähe zu Künstlern aus dem Programm. So leben etwa Ryan Trecartin, Lizzy Fitch und Sterling Ruby in der Stadt. „Es ist uns wichtig, vor Ort für unsere Künstler da zu sein und über lange Jahre gewachsene Beziehungen direkter pflegen zu können. Mit Barbara Kruger oder John Baldessari arbeiten wir seit Jahrzehnten zusammen.“ Und dann wird es interessant, als Helwing weiter ausführt: „Aber auch der demografische Wandel in der Stadt ist spannend: Wir bemerken, dass immer mehr IT-Leute aus Nordkalifornien hierherziehen. Das geht so weit, dass die Einheimischen Venice Beach schon in ,Silicon Beach‘ umgetauft haben.“

Doch muss Los Angeles sich als neue Traumfabrik des Kunsthandels erst noch beweisen. Kunstmessen tun sich hier, trotz der vermögenden Klientel aus Hollywood und Immobilienmarkt, schwer: Anstrengungen, europäische Messen wie die Paris Photo oder die Fiac zu etablieren, sind vorerst gescheitert. Das mag umso mehr verwundern, als doch die Sammler und ihr Engagement in der Stadt sichtbar werden, auch auf institutioneller Ebene. Milliardär Eli Broad hat sich für 140 Millionen Dollar ein eigenes Museum in Downtown bauen lassen. Direkt neben Frank Gehrys metallisch glänzender Walt Disney Concert Hall und gegenüber vom Museum of Contemporary Art steht das von den Angelenos wegen seiner durchbrochenen Fassade despektierlich „Käsereibe“ genannte Prachtmuseum. Unweit davon verfolgt das LACMA, das Los Angeles County Museum, ehrgeizige Expansionspläne: Peter Zumthor wird ab 2018 die flächige Architektur des Museums durch einen Neubau ersetzen, der sich über 37 000 Quadratmeter erstreckt.

Vormals berüchtigte Gegenden werden nun schick

Zugleich verändert der Kunsthandel das Stadtbild – weniger massiv, dafür nachhaltig. Vormals berüchtigte Gegenden wie Downtown oder Hollywood werden zunehmend von Galerien besetzt. Im einst heruntergekommenen Hollywood etwa betreibt Saun Caley Regen mit Regen Projects am Santa Monica Boulevard seit fünf Jahren ihre Galerie. Um sie herum hat sich eine ganze Gruppe weiterer Galeristen gesammelt: von Matthew Marks, der ebenfalls 2012 als erster der New Yorker Galeristen in Los Angeles eröffnete, über Hannah Hoffman bis zu Various Small Fires. Auch der in Los Angeles geborene Galerist und Szeneveteran Michael Kohn ist vor zwei Jahren vom Beverly Boulevard nach Hollywood gezogen. Er sagt: „Was sich in den letzten Jahren verändert hat, sind die neuen Möglichkeiten für den Kunsthandel auf Messen und im Internet. Das hat geholfen, auch Galerien bekannt zu machen, die zuvor in Downtown oder irgendeinem anderen abgelegenen Fleck der Stadt existierten.“ Kohn sorgte vergangenen Herbst mit einer musealen Zusammenschau von Gemälden von Giorgio Morandi und Robert Ryman für Aufsehen. „Wir brauchen keine teure Präsenz in Beverly Hills mehr, um Umsatz zu machen. Außerdem haben wir, im Gegensatz zu New York, noch Platz in der Stadt. Hier kann man sich ein Studio oder eine Galerie bauen, die größer und günstiger sind als in New York.“

Kohn spricht einen zentralen Punkt an. Während ehemalige New Yorker Künstlerviertel wie Williamsburg längst unerschwinglich geworden sind und Harlem gerade zum neuen Hotspot für Künstler und Galerien wie die von Elizabeth Dee wird, mehren sich in Los Angeles die Künstlerateliers in Gegenden wie Silver Lake oder Echo Park. Aus New York sind Alex Hubbard und Jacob Kassay hergezogen. Die deutschen Künstler Silke-Otto Knapp und Friedrich Kunath leben und arbeiten schon eine ganze Weile hier; Oscar Tuazon kam kürzlich erst aus Paris. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen.

Mara McCarthy zeigt die Studenten ihres Vaters Paul McCarthy

Besonders viel Bewegung kommt ins ehemals berüchtigte Downtown. An der von anonymen Lagerhäusern gesäumten, meist menschenleeren South Mission Road befindet sich seit Herbst die Westküsten-Filiale der New Yorker Galeristin Michele Maccarone. Ihre Galerie liegt in Laufweite von „Mission 356“, einem vom New Yorker Galeristen Gavin Brown und der Malerin Laura Owens 2013 in deren früherem Atelier gegründeten Komplex aus Galerie, Projektraum und Buchladen; wohl das lebendigste und informellste Kunstzentrum der Stadt. Doch die erste junge Galeristin in Downtown war Mara McCarthy, Tochter des Künstlers Paul McCarthy. Sie eröffnete 2007 ihre Galerie „The Box“. Warum gerade hier? „Für mich war Downtown schon immer ein Ort für die Künstler. Ich wuchs mit der Punk- und Experimentalszene der 80er Jahre auf, die hier existierte“, erzählt McCarthy. „Die Gentrifizierung setzt mittlerweile auch hier ein, und das beobachte ich mit Sorge. Aber es gibt nach wie vor viele Ateliers und Off-Räume. Hier sind, anders als in den noblen Gegenden der Stadt, überall Leute unterwegs und ständig passiert etwas Neues.“

„The Box“ zählt zu den zentralen Treffpunkten nicht nur der jungen Szene der Stadt: Mara McCarthy zeigt regelmäßig ehemalige Studenten ihres Vaters aus seiner Zeit an der University of California (UCLA), kuratiert aber ebenso Rückblicke auf vergessene oder übersehene Kunst, die eng mit der Stadtgeschiche verbunden ist, wie etwa in ihrer Schau zum Untergrundkollektiv „Los Angeles Free Music Society“.

Restaurant, Buchladen, Park - die Galerie von Hauser & Wirth ist alles

Mit der Eröffnung von Hauser Wirth & Schimmel an der East 3d Street am vergangenen Wochenende erfuhr die von McCarthy erwähnte Gentrifizierung Downtowns wohl den bislang stärksten Schub. Auf dem historischen Gelände der „Globe“-Getreidemühle eröffneten die Schweizer die größte und ambitionierteste Galerie der Stadt. Auf fast 10 000 Quadratmetern verteilen sich Räume, Restaurant, Buchladen und ein Skulpturenpark. Die Umgestaltung betreute die deutsche Architektin Annabelle Selldorf. Paul Schimmel, der als neuer Partner gewonnene, ehemalige Chefkurator des MOCA, beschreibt die Galerie „als eine Art Kunsthalle“.

Gemeinsam mit der Kunsthistorikerin Jenni Sorkin kuratierte er die unbescheiden „Revolution in the Making – Abstract Sculpture by Women, 1947–2016“ genannte Eröffnungsausstellung mit fast hundert Werken von Pionierinnen des Genres wie Louise Bourgeois, Lee Bontecou oder Eva Hesse bis hin zu kalifornischen Künstlerinnen wie der vor drei Jahren gestorbenen Ruth Asawa oder Claire Falkenstein, die gerade wiederentdeckt werden. Die Ausstellungsdauer von einem halben Jahr und die Vielzahl unverkäuflicher Leihgaben aus 13 amerikanischen Museen und zahlreichen Privatsammlungen unterstreicht den musealen Anspruch des nun sechsten Galerieablegers. Hauser Wirth & Schimmel verringert den Abstand von Galerie und örtlichen Museen und appelliert zugleich an jene schwerreichen Sammler aus dem Film- und Immobiliengeschäft, in deren Villen in Brentwood oder Bel Air noch Platz genug ist für Kunst mit großem Namen und ebenso großem Preisschild.

Von Magdalena Kröner

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