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Kultur: Brasilianisches Festival-Finale von Bruno Barreto

Nur der Schneider steht am Ende allein da. Dabei kann er die Qualität eines Stoffes mit den Ohren überprüfen, wunderschöne rote Anzüge produzieren, französische Chansons singen und hinreißend lächeln.

Nur der Schneider steht am Ende allein da. Dabei kann er die Qualität eines Stoffes mit den Ohren überprüfen, wunderschöne rote Anzüge produzieren, französische Chansons singen und hinreißend lächeln. Er ist allerdings ein bisschen unsportlich, was an der Copacabana ein Nachteil sein mag. Und da die Rechtspraktikantin Sharon Muskeln mag, fliegt sie am Ende mit einem Fußballstar nach Europa, anstatt sich von Roberto einkleiden zu lassen.

Bis es so weit kommt, passiert einiges in diesem Film, der sich eingehend mit der Liebe in Form des Techtelmechtels beschäftigt. Seinem Gegenstand entsprechend, ist die Inszenierung schwungvoll, sind die Schauplätze elegant und die Dialoge witzig. Zwar ist diese Geschichte schon unzählige Male erzählt worden. Aber das macht nichts. Denn die schönsten Geschichten handeln immer von der Liebe. Ganz besonders schön sind sie, wenn sie unwahrscheinlich sind.

So wie bei Nadine, die eine Internet-Affäre mit Gary, einem avantgardistischen Künstler pflegt. Als er sie besucht, entpuppt er sich als biederer Geschäftsmann - und als aufregender Liebhaber. Oder wie bei Mary Ann, der Englischlehrerin, die immer aus Versehen geküsst wird und das auch noch von den falschen Männern. Die noch nicht geschiedene Frau des Rechtsanwalts liebt wiederum einen chinesischen Tai-Chi-Meister. Aber der rülpst und schlürft; und sie fragt sich, ob ihr Mann das auch tat. Sie ruft ihn an, um ihn selbst zu fragen. "Kein einziges Mal in sieben Jahren!" antwortet er empört. Man glaubt es ihm, diesem gepflegten, ein wenig melancholisch wirkenden Schneiderssohn, der Anwalt werden musste, weil er anders als sein Bruder die Stoffe nicht hören kann. Auch ihm verhilft die Liebe zu ungeahnten Fähigkeiten.

"Bossa Nova" erinnert an die romantischen Komödien der frühen dreißiger Jahre, in denen die Frauen stark und die Männer entweder Draufgänger oder Muttersöhnchen waren. Die einen zu zähmen und die anderen aus der Reserve zu locken: Das machten sich die schlagfertigen Heldinnen des Genres zur Aufgabe. Dabei gingen sie wenig zimperlich mit den Objekten des Begehrens um; von beißendem Spott bis zu handgreiflichen Auseinandersetzungen war alles erlaubt. Geschlechterkampf hieß die Devise zu einer Zeit, in der Frauen durch ihre ökonomische Unabhängigkeit zu neuem Selbstbewusstsein fanden. Und daran konnten sich die Männer schwer gewöhnen.

Weil der Kampf der Geschlechter zumindest in der westlichen Welt ausgefochten ist, sind romantische Komödien selten geworden. Denkt man. "Bossa Nova" zeigt, dass er auf den Nebenschauplätzen noch tobt, und das ist nicht nur komisch, sondern auch beruhigend. Denn Spannung entsteht nur durch Gegensätze. In der schönsten Szene des Films wird eine Englisch-Stunde zur Musical-Nummer. Der würdevolle Anwalt imaginiert sich selbst in Frack und Zylinder, seine Lehrerin umtanzend. Die kann sich solcher Verführungskunst nicht entziehen und wirft sich in seine Arme, um den Tanz mit ihm fortzusetzen. Auch wenn er nur eine kleine Weile dauert. Wie dieser Film, dem sich die Zuschauerin getrost überlassen kann.Heute 17.30 Uhr (International), 20 Uhr (Royal Palast)

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