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Kultur: Brotzeit

Dieses Ich ist so furchtbar ritterlich. Kein bisschen jugendlich, impulsiv oder gar naiv.

Dieses Ich ist so furchtbar ritterlich. Kein bisschen jugendlich, impulsiv oder gar naiv. Hier spricht ein Mädchen, dem die menschliche Kälte ins Gemüt gefahren ist. Es nimmt seinen kleinbürgerlichen Alltag so minutiös wahr, als gäbe es keine Träume jenseits des Miefs der eigenen Herkunft. Roswitha Haring hat mit dem Erzählband „Das halbe Leben“ ihr zweites Buch vorgelegt. Abermals steht die Beengtheit des Jungseins im Mittelpunkt. Die Episoden werden von wiederkehrenden Motiven zusammengehalten. Oft geht es um Gartenarbeit, dann spricht die Erzählerin von der Ordnungsliebe und vergleicht Kinder mit gefalteten Kleidungsstücken, schließlich treten die cooleren Freundinnen auf, die einem dicklichen Mädchen das Leben zur Hölle machen können. Die Sprache ist nüchtern, Wiederholungen und Satzreihungen prägen die Prosa. Inhaltliche Sprünge finden oft mitten im Absatz statt. Das ist mühsam zu lesen, spiegelt andererseits aber die dröge Lebenswelt der Ich-Erzählerin wieder. Die stärksten Momente hat Haring, wenn sie aus den gefühlsverknappten Alltagsschilderungen ausbricht. Wenn ein Schwein geschlachtet wird und der bärbeißige Fleischer die Erzählerin verscheucht. Ganz selten blitzt sogar Humor auf, wie bei einem Einkaufsurlaub im tschechischen Karlovy Vary: „Sieh nur, das sind Deutsche, sage ich, die essen ihre mitgebrachten Schnitten.“ So vorlaut sollte die Protagonistin öfter sein.

Roswitha Haring: Das halbe Leben. Erzählungen, Amman Verlag, Zürich 2007. 176 Seiten, 17, 90 €.

Tobias Haberkorn

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