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„Call me Queen“ ist nach „Jung, giftig und schwarz“ das zweite Stück, das Thandi Seb (l.) e am Ballhaus Naunynstraße inszeniert und spielt. Angefangen hatte sie als Regiehospitantin.

© Roberta Sant'Anna

„Call me Queen“ im Ballhaus Naunynstraße: Kreuzbergadel

In „Call me Queen“ inszeniert Thandi Sebe die beschwerliche Suche nach einer afrodeutschen Identität in Berlin. Ihr ist eine klug beobachtete und berührende Straßeneckballade gelungen.

Auf Lulus Bauch steht in goldenen Buchstaben „Call me Queen“. Schön und gut. Aber was soll das jetzt heißen? Nenn mich Königin? Nein, korrigiert die ambitionierte Straßenmusikerin: „Ruf mich an, Königin!“ Denn das ist ihr Plan: die Königin von England auf sich aufmerksam zu machen, kraft ihrer gottgegebenen Reize, und dann den Prinzen Harry zu heiraten. Ein Traum vom Aufstieg aus dem Kreuzberger Dreck in den britischen Hochadel also. Was Lulu mit Ruhm und Reichtum anfangen will, steht schon fest: Sushi essen, so oft sie Lust hat. Geld an die Armen verschenken. Und den Rassismus verschwinden lassen. Auch den zarten Hinweis ihrer Freundin Lila, dass in ihrem „Call me Queen“-Aufruf das Komma fehle, kontert Lulu schlagfertig: „Der Bauchnabel ist das Komma.“

Von schnoddrigem Witz und treffsicheren Punchlines lebt das Stück „Call me Queen“, das Thandi Sebe als Autorin, Regisseurin und Schauspielerin am Ballhaus Naunynstraße auf die Bühne gebracht hat. Zusammen mit Kollegin Victoire Laly erzählt sie die Geschichte von zwei jungen schwarzen Frauen in Berlin, die zusammen Musik machen wollen, sich aber in mehr oder weniger liebevollen Zankereien, melancholischen Träumen und wütenden Kontern des vorbeiflanierenden Alltagsrassismus verlieren. „Dunkelhäutig? Im Vergleich zu wem denn bitte schön? Dir? Im Vergleich zu dir ist Omas Porzellangeschirr dunkel. Und das wird jeden Tag poliert.“

Empowerment mit historischem Link

„Call me Queen“ ist nach „Jung, giftig und schwarz“ das zweite Stück, das Thandi Sebe am Ballhaus Naunynstraße inszeniert. Begonnen hat sie dort als Regiehospitantin, was mal wieder beweist, dass an dem schmal budgetierten Haus regelmäßig Talent-Entdeckungen mit Nachhall gemacht werden. Sebes Straßeneckenballade ist klug beobachtet, kurzweilig erzählt und von schräg-schönen Einfällen durchzogen. Und nicht zuletzt ist das Stück berührend. Weil es vermittelt, wie beschwerlich diese Suche nach afrodeutscher Identität in einer weiß dominierten Gesellschaft noch immer ist. Dagegen setzt die Künstlerin hier ein Empowerment mit historischem Link. Für Lulus Königinnenträume nämlich wird als Vorbild die 1744 geborene Prinzessin Sophie Charlotte von Mecklenburg-Strelitz angeführt, die es zur Queen von Großbritannien brachte. Und das als Schwarze. Von den Porträts, die sie als Weiße zeigen, soll sich bloß niemand blenden lassen. Wäre ja nicht die erste Übermalung in der Geschichte.

(Nächste Vorstellungen am 28./29.5.)

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