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Dan Snaith alias Caribou.

© City Slang

Caribou live im Berghain in Berlin: Rave trifft Traum-Pop

Zum Wegdriften und Mitwippen: Elektro-Musiker Caribou gab im ausverkaufen Berliner Berghain ein berauschendes Konzert.

Die elektronische Musik kommt mitunter ins Schleudern, wenn es darum geht, die Töne auf der Bühne auszupacken. Nicht so beim in London lebenden Kanadier Dan Snaith alias Caribou, dessen Soundgebilde tatsächlich humaner klingen als manche Orchester oder Gitarrenschrammler, wenn er im ausverkauften Berghain einen hermetischen Raum zum Wegdriften aufklappt. Von grenzenloser Rave-Euphorie mit psychedelischen Krautrock-Anklängen über Neunziger-House-Patina mit karibisch unterwühlten Rhythmen bis hin zu einer inseltypischen Bassmusik mit schnittigen Vocal-Samples reicht sein Spektrum. Es ist ein raffiniertes Spiel, dem auch ein Sinn für melancholischen Traum-Pop innewohnt, der sich in einer sehnsuchtsvollen und zuweilen bittersüßen Melodieverliebtheit ausdrückt.

Gleichwohl lässt das neue Album „Our Love“ beim ersten Hören vermuten, das sich der promovierte Mathematiker nach jahrelanger Tätigkeit als DJ vorgenommen hat, Musik für die brodelnde Tanzfläche zu machen. Doch weit gefehlt. Zwar gehen etliche Stücke als geradlinige Mitwipper durch, die unverschämt ans Tanzbein kicken, aber selbst hier erzeugt noch jedes verzerrte Klappergeräusch eine beträchtliche Wärme. Die Musik fließt wie wohliges Badewasser und in ihren besten Momenten steht Snaith mit seinen drei Mitstreitern anbetungswürdig im Zentrum pulsierender, sorgfältig geschichteter Tonspuren. Sie lassen Flötensamples und hundert andere Kleinigkeiten zu einem Fluss aus Klang und Lebensfreude werden, der das randvolle Berghain in einen glücklichen Schwebezustand versetzt. Im Mittelpunkt steht neben Snaith’ rührender Falsettstimme das präzise Schlagzeugspiel von Brad Weber, der sich ab und an grandiose Trommelduelle mit Snaith liefert.

Höhepunkt dieser clubtauglichen Abfahrt voll hypnotisch wertvoller Momente ist Caribous frenetisch gefeierte Rave- Hymne „Sun“, die nach 80 Minuten als Zugabe kommt und mit ihrer aufgeschäumten Dynamik einen Sog erzeugt. Dabei wird Snaith zum Sonnenanbeter, der immer wieder „Sun! Sun! Sun!“ ruft und jubilierend die Arme reckt, während ein kosmisch buntes Flackerlicht den Saal flutet. Ein wunderbares Spektakel, das an Otto Pienes Installation „The Proliferation of the Sun“ erinnert, die im Sommer in der Neuen Nationalgalerie zu sehen war und die Berliner Nacht zum Leuchten brachte – so aufregend und schön wie es nun die Musik von Caribou macht. Die Sonne im Herzen geht auf, man ist nicht mehr in der gleichen Welt wie vorher. Aber das merkt man erst, wenn man aus dem psychedelischen Traum erwacht ist.

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