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Doppelte Catherine. Deneuve und Frot.

© Michael Croto

Catherine Deneuve auf der Berlinale: Ziemlich beste Freundinnen

Ein ungleiches Paar: Catherine Deneuve und Catherine Frot brillieren in „Sage femme“ im Berlinale-Wettbewerb, außer Konkurrenz

Sie ist eine Spielerin, sie raucht, trinkt, isst ihr Fleisch gern blutig und mit möglichst viel Majo dazu. In den Zocker-Hinterzimmern sitzt sie als einzige Frau, den blumig gemusterten Seidenmorgenrock trägt sie meist offen, genau wie die schwarze Lederjacke, wenn sie unterwegs ist, und das Geld in der Handtasche hat sie in Folie gewickelt. Catherine Deneuve ist Béatrice, eine Pariser Exzentrikerin mit verlebtem, kräftig geschminktem Gesicht, die Kamera schmeichelt ihr nicht. Im wirklichen Leben ist Deneuve 73, im Film spielt sie eine Frau, die den Tod vor Augen hat. Mutige Rolle.

Vielleicht hat Catherine Frot noch mehr Mut. Die Schauspielerin, die man hierzulande vor allem aus Nebenrollen kannte, bevor sie in „Madame Marguerite oder Die Kunst der schiefen Töne“ als ebenfalls exzentrische Möchtegern-Opernsängerin brillierte, nimmt es in Martin Provosts „Sage femme“ mit der Diva des französischen Kinos auf. Frot ist die Hebamme Claire, eine tüchtige, warmherzige, vom Alltag in der kleinen, vor der Insolvenz stehenden Geburtsklinik gebeutelte Frau, alleinstehend, der Sohn studiert Medizin. Claire ist so verschlossen wie Beatrice kapriziös, sie lebt in Mantes-La-Jolie. Provinz und Kapitale, Vernunft und Unvernunft, ein ungleiches Paar. Die beiden werden ziemlich beste Freundinnen, im Kino ist die Konstellation ja beliebt.

Frot und Deneuve spielen eine Hebamme und eine exzentrische Spielerin

Claire und Béatrice geraten aneinander, weil die Ältere nach ihrer Krebsdiagnose zur Jüngeren Kontakt aufnimmt. Vor Jahrzehnten war sie die Geliebte von Claires Vater. Eine Stimme von früher, eine traumatische Erinnerung. Claire will eigentlich nicht, nimmt die Kranke schließlich doch zu sich. Und sie blüht auf, wie man so sagt. Trägt das Haar öfter mal offen, traut sich, schneller als 30 km/h zu fahren, erlaubt sich kleine Verwegenheiten und eine Liebe mit dem Schrebergarten-Nachbarn, dem LKW-Fahrer Paul (Olivier Gourmet). Auch er erweist sich als Freigeist, bald wird er der Dritte im Bunde.

Regisseur Provost erinnert mit dem Film an seine eigene Hebamme

Charme entwickelt „Sage femme“ vor allem dank der zunehmend hinreißenden Präsenz von Catherine Frot. Kleine Augen, schmale Lippen, kein vordergründig attraktives Gesicht – aber Frot beherrscht die Kunst, mit minimaler Mimik und schlichten Gesten die ganze Bandbreite menschlicher Regungen widerzuspiegeln. Ihre Verwirrung über die Wiederkehr der Vergangenheit in Gestalt von Béatrice. Ihre Bestürzung, als sie erfährt, dass sie Großmutter wird. Ihre aufmerksame Fürsorge, wenn sie wieder ein Baby auf die Welt holt. Ihr verzweifelter Trotz, als sie nicht aufhören will, einen toten Säugling wiederzubeleben. Ihr Zorn, als sie zu einer dieser modernen, auf Effizienz getrimmten Kliniken wechseln soll. Dann lieber arbeitslos...

Die Geburten sind übrigens echt, ein Stück Dokumentarfilm mitten in der Fiktion. Regisseur Martin Provost versteht „Sage femme“ auch als Hommage an seine eigene Hebamme, die ihm bei der Geburt das Leben rettete, indem sie ihr Blut für ihn spendete. Als Provost davon erfuhr, fahndete er vergeblich nach ihr. Jetzt schenkt er ihr diesen freundlichen, das Leben feiernden Film.

15.2., 12.30 Uhr (Zoo-Palast), 15 Uhr (Friedrichstadt-Palast)

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