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Kultur: Charlottenburg, mon amour

SPECIAL Doris Dörrie verfilmt Ferdinand von Schirachs „Glück“.

Kriegsgräuel, die Vergewaltigung von Frauen, Armut, die rührende Solidarität unter Opfern, die herzensguten vom Schicksal Geschlagenen oder eine Kinderschaukel im höchsten Schwung als Moment der Euphorie – all diese Motive hat man auf dieser Berlinale schon gesehen. Bei Angelina Jolie. Bei Stephen Daldry. Bei Zhang Yimou und manch anderen. Und sieht sie alle wieder in Doris Dörries neuem Film „Glück“.

Epigonal war Dörrie in ihren guten Filmen noch nie. Wäre sie eine Amerikanerin, hätte mit „Männer“ allemal eine Weltkarriere begonnen und ihr grandioser Episodenfilm „Bin ich schön?“ mit Recht ein paar Oscars gewonnen. Doch nun diese Häufung von Déjà-vus, das heißt nicht einfach nur Pech fürs „Glück“.

Wenn in „Glück“ statt in Japan in einem Berliner Park die Bäume blühen, und das im Wind und in Nahaufnahmen, dann erinnert man sich an Dörries letzten großen Erfolg mit „Kirschblüten – Hanami“. Nichts dagegen, denn natürlich darf sich eine Künstlerin wie D. D. auch mal augenzwinkernd selbst zitieren. Doch zu viele andere, weniger beiläufige Szenen gleichen hier immer nur Bildern aus zweiter Hand. Obwohl es gut beginnt.

Ferdinand von Schirachs spröde, kunstlos notierte Erzählung „Glück“ aus dem Prosaband „Verbrechen“ ist die Vorlage. Das Protokoll des schreibenden Anwalts übersetzt Dörrie mit Schwung ins Filmische, indem sie die junge Migrantin und Notprostituierte Irina (Alba Rohrwacher) als Fußgängerin im Berliner Stadtverkehr mit ihrem späteren Anwalt (Matthias Brandt im Auto) kollidieren lässt. Schnell aber stockt der innere Erzählfluss, sobald in Rückblenden Irinas Vorleben melodramatisch aufscheint. Sie ist, irgendwo im postsowjetischen Kaukasus eine Bauerntochter: liegt im überirdisch rot glühenden Mohnfeld, nebenan grasen die Schäfchen in einer Postkartenidylle. Plötzlich brechen Panzer ein, Soldaten eines unerklärten Krieges schänden Irina und töten die Familie in der eben noch so wohligen Kate.

Irina überlebt, wäscht sich im einsamen See nach einem Selbstmordversuch den Schmutz vom Leib und gerät, wund in der Seele und ausgebeutet von Schleppern, irgendwie nach Berlin. Gegenschnitt: Großstadtgebrause, Technosound, Potsdamer Platz, alle Berlinfilmklischees. Irina geht anschaffen, erst in einer Puffpension, bald schon im trauteren Heim.

Dazu gesellt sich im Charlottenburger (!) Kiez ein junger Penner, Alki, ein bisschen räudig, rührend, rau. Aber naturgemäß mit Herz (Vinzenz Kiefer). Dann gibt’s einen blutigen Zwischenfall mit Irinas Stammkunden (fett, Politiker, arschgeil, aber auch irgendwie seelenvoll: Oliver Nägele); was hierauf passiert, kennen die Schirach-Leser oder die Kenner von Ian McEwans mit Isabella Rosselini verfilmtem Nachkriegs-Berlin-Roman „The Innocent“, wo eine Männerleiche auf die nämliche krude Weise beseitigt wurde. Am Ende indes winkt den Mühseligen und blutig Beladenen noch geigenselig ein Stück vom Glück.

Eigentlich ist die Idee ganz schön, zwei junge, spürbar unerfahrene Schauspieler eine spürbar scheue, schwierige Liebesglücksgeschichte erzählen zu lassen. Wenn Dörrie sie einfach nur ließe. Aber sie macht’s hier so absichtsvoll plakativ. So abgeschmackt fernsehfilmkompatibel. Leider kein Kinoglück.Peter von Becker

16. 2., 18 Uhr (Cubix 8)

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