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© defd Deutscher Fernsehdienst

Chronik des Ostens: Völker, seht die Signale!

Das Festival und der Osten: eine Chronik. Als der Kalte Krieg noch eisig war, fand das Festival ohne Osteuropa statt, 24 Jahre lang.

Das ändert sich 1974. Im Zuge des Brandt’schen Tauwetters nimmt erstmals die Sowjetunion teil, 1975 ist die Defa mit Frank Beyers „Jakob, der Lügner“ dabei. Hauptdarsteller Vlastimil Brodsky erhält einen Bären, auch der Hauptpreis geht in den Osten, an Márta Mészáros aus Ungarn, die erste Frau in der Geschichte der Bären. Jahr für Jahr wird nun die Brückenfunktion der Berlinale beschworen, trotz des Skandals um „The Deer Hunter“ 1979 (siehe S. 3). 1980 kommt „Solo Sunny“, er überstrahlt alle Querelen. Das Publikum liebt die blutjunge Renate Krößner als Schlagersängerin vom Prenzlauer Berg, eine Antiheldin mit Herz und Schnauze. „Is’ ohne Frühstück!“, sagt Sunny ihrem Lover am Morgen und fügt hinzu: „Is’ auch ohne Diskussion!“ Die DDR und ihre Dissidenten, von Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase auf den Punkt gebracht. Knifflige Diplomatie: Erst in letzter Sekunde erhält Krößner ihr Visum, um den Silbernen Bären entgegennehmen zu können. Wenige Jahre später machen russische Glasnost-Filme Furore – und 1990 feiert auch die Berlinale den Fall der Mauer. Im Wettbewerb läuft „Coming out“ von Heiner Carow, und im Frühstücksraum des Hotels Savoy in der Fasanenstraße diskutieren Frank Beyer und andere Regisseure der Defa-Tresorfilme von 1965, die nun endlich zu sehen sind. Auch im Ostteil der Stadt, im International, im Kosmos und im Colosseum laufen nun Festivalfilme aus allen Sektionen – vor halb leeren Sälen. Die Ost-Berliner finden das Leben gerade aufregender als das Kino.

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