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CITY Lights: Kinski wirft eine Granate

Ein paar totgeglaubte Genres sind wiederbelebt worden: der Western, der Antikfilm, das Musical, ja sogar der Stummfilm. Eine Renaissance des sexuellen Aufklärungsfilms ist unwahrscheinlich, denn schon jene „ Aufklärungswelle“, die in den späten Sechzigern begann, war scheinheilig.

Ein paar totgeglaubte Genres sind wiederbelebt worden: der Western, der Antikfilm, das Musical, ja sogar der Stummfilm. Eine Renaissance des sexuellen Aufklärungsfilms ist unwahrscheinlich, denn schon jene „ Aufklärungswelle“, die in den späten Sechzigern begann, war scheinheilig. Den letzten ernst zu nehmenden Beitrag zum Genre lieferte Peter Pewas 1948 bei der Defa: Straßenbekanntschaft wurde mit dem Slogan „Kennt ihr euch überhaupt?“ beworben (Sonntag im Bundesplatz-Kino). Der Vorspann erwähnt einen Zuständigen für die „sozialhygienische Bearbeitung“ des Drehbuchs, doch seine Faszination verdankt der Film eher der Form. Die Stromknappheit während der Dreharbeiten – mal standen Scheinwerfer zur Verfügung, mal nicht – führte zu einem unfreiwilligen Stilmix aus Neorealismus, Ufa-Melodram, Expressionismus und Surrealismus.

Unter besseren Bedingungen entstand Rainer Simons Die Frau und der Fremde von 1985, der als einziger Defa-Film den Goldenen Bären gewann. Ein ähnlich irritierender Film, dessen Protagonisten, zwei deutsche Soldaten in sowjetischer Kriegsgefangenschaft, sich zuweilen wie zwei DDR-Bürger unterhalten, die in den Westen fliehen wollen. Simons formal strenger Film eröffnet heute die Filmreihe Europas Goldene Bären: 20 europäische Lang- und Kurzfilme aus 60 Jahren Berlinale – die Reihe im Arsenal läuft bis November.

Eine weitere halb-expressionistische Stilübung, im „Sissi“-Jahr 1955 gnadenlos gefloppt, ist Fritz Kortners Um Thron und Liebe über die letzten zwölf Stunden vor dem Attentat von Sarajewo, das indirekt den Ersten Weltkrieg ausgelöst hat (Sonntag und Montag im Bundesplatz-Kino). Etwas tiefer auf der Besetzungsliste entdeckt man den Namen Klaus Kinski – und klar, Kinski verkörpert einen der Attentäter und wirft eine Granate.

Nicht weniger gefährlich lebt der 10-jährige Aborigine Daniel in Ivan Sens Toomelah, mit dem heute das 2. Down Under Berlin – Australian Film Festival eröffnet wird (bis Sonntag im Moviemento). Der Junge träumt davon, ein Drogenboss zu werden. Sein Darsteller Daniel Connors hatte mehr Glück: Der Verband der australischen Filmkritiker zeichnete ihn als besten Nachwuchsdarsteller aus.

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