zum Hauptinhalt

CITY Lights: Musical im Stechschritt

Das Online-Lexikon Wikipedia zählt das Musical zu den Gesamtkunstwerken – im Wagnerjahr eine zumindest beziehungsanstiftende Bemerkung. Überspringen wir also ein Jahrhundert, gehen vom Grünen Hügel zum Broadway und von der Minne Macht zu „Begin the Beguine“.

Das Online-Lexikon Wikipedia zählt das Musical zu den Gesamtkunstwerken – im Wagnerjahr eine zumindest beziehungsanstiftende Bemerkung. Überspringen wir also ein Jahrhundert, gehen vom Grünen Hügel zum Broadway und von der Minne Macht zu „Begin the Beguine“. Nicht „Der Fliegende Holländer“, sondern Eleanor Powell im Glitzerkleid steht hier im Mast und singt „I am the captain of this boat“. Der Film mit Musik von Cole Porter heißt Broadway Melody of 1940 und wurde von Norman Taurog für die MGM als vierter einer Serie von Musicalfilmen inszeniert, die ihre Plots – neben der Liebe! – aus dem Bühnenmilieu und den Ambitionen aufstrebender Tänzer ziehen. Wenn der Klassiker jetzt am Sonntag in Vaginal Davis’ EventkinoReihe im Arsenal gezeigt wird, dürften die hinreißenden Tanznummern von Powell und Fred Astaire auch wenig opern- und ballettaffine Zuschauer begeistern.

Eines waren die Step-Duos von Powell und Astaire gewiss nicht: militaristisch. 23 Jahre nach Kriegsende ist dann die Zeit reif dafür, Wehrmachtsuniformen und Stechschritt mit der leichten Muse zu versöhnen. In „The Producers“ setzt der fiktive Broadway-Produzent Bialystock auf Hitler, um einen todsicheren Megaflop zu landen – in betrügerischer Absicht. Aber der Plan misslingt, sein Machwerk wird zum Hit. In zwei Wochen soll „Producers“-Regisseur Mel Brooks vom Amerikanischen Filminstitut für sein Lebenswerk ausgezeichnet werden. Da passt es gut, dass heute, am Donnerstagabend, im Freiluftkino Mitte der Film gezeigt wird, mit dem seine Karriere begann. The Producers läuft dort in Originalfassung im Rahmen einer Hommage an den am 4. April verstorbenen Filmkritiker Roger Ebert, der Brooks’ giftige Satire als „one of the funniest movies ever made“ ehrte. Regisseure, Schauspieler, Finanziers, die ganze Unterhaltungsbranche wird gnadenlos vorgeführt. Allein das Publikum ist unbestechlich.

Im „Blue Gipsy“, wohin Max Bialystock eine seiner betagten Verehrerinnen ausführt, drängeln sich die Fiedler nicht gerade zigeunertypisch in Lederhosen um die Tische. „Blue Danube“ hieß der Laden, den der in Hollywood tragisch gescheiterte deutsche Exil-Regisseur Joe May in Los Angeles eröffnete. Das Lokal hielt nur kurze Zeit durch. Mays Filme bleiben. Am Samstag wird der erste Teil seiner großen Stummfilm-Tragödie der Liebe mit Live-Musikbegleitung im Kino der Brotfabrik gezeigt. Damals, 1923, war May einer der erfolgreichsten Regisseure Deutschlands.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false